Ich fahre ja seit einigen Jahren immer die gemütliche Feierabendtour vom ADFC mit. Da ich ja vor habe, in Berlin einige Wege mit dem Fahrrad kennen zu lernen, war ich so motiviert, mal wieder die sportliche Feierabentour mit zu fahren. Ein Gastbeitrag von Uwe Winderling
Am VHS-Haus angekommen, es war noch relativ früh – so um 17:50 Uhr. Abfahrt ist immer um 18:30 Uhr. Das Wetter wollte nicht so mitspielen, denn im Osten wurde es dunkel und es donnerte schon. Es war so 18:15 Uhr – und es war sonst noch keiner da. Ich hatte schon überlegt, wenn es schlimmer wird mit dem Gewitter und es auch noch anfängt zu regnen, wieder nach Hause zu fahren. In dem Moment kam ein Radfahrer um die Ecke gesaust, hielt neben mir unter der Arkade vom VHS-Haus an, weil ich mich da gerade untergestellt habe, als es begann zu regnen. Es war aber sonst immer noch keiner da, der die sportliche Tour mitfahren wollte. Außer eben dieser Radfahrer, der sich als Tourenleiter vom ADFC vorstellte. Ich hatte, sicher – weil evtl. Regen gemeldet war, eben meine Regenjacke dabei und ganz normale Jeans an – halt das, womit man den ganzen Tag vor dem Computer sitzt. Meine Erfahrung war ja, dass gute und saubere Wege befahren werden.
Prolog
Der Tourenleiter und ich kamen ins Gespräch. Er erzählte mir etwas davon, dass Krefeld auch seine Achttausender, Sechstausender und Viertausender Berge – und ein Meer hat. „Ja“ sagte ich aber wußte nicht was er mir damit sagen wollte. Ich überlegte wieder, aber mir fiel zum Thema Berge und Krefeld nur die Krefelder Hütte in 3000 m Höhe unterhalb des Kitzsteinhorns ein, das man von Kaprun aus im Salzburger Land erreichen kann. Das sagte ich ihm. „Nein“ sagte er und verwies auf Krefelder Stadtgebiet, denn wenn man alles in Zentimeter rechnet, ist der Inrather Berg 8700 cm, der Hülser Berg 6390 cm und der Egelsberg 4610 cm hoch – und der Elfrather See ist in der Proportion von Zentimetern gesehen ein Meer. Ich staunte und mußte eingestehen: er hatte Recht. Es ratterte in meinem Kopf, und langsam begann ich zu begreifen, was er vorhatte. Ich war mir in diesem Moment sicher: ich hatte gegenüber dem Tourenführer, der von der Lauffläche seines Fahradmantels über sein Outfit, seinen Helm bis zur alles überragenden neon-orangenen Heckflagge fahrradtourenmäßig durchgestylt war, außer meinem Fahrrad und vielleicht noch meiner derben Regenjacke nichts entgegenzusetzen. Gut, ich hatte meine heißgeliebte Köln-Flagge, die sich bei der Tour nur mit Regenwasser vollsaugt und runterhängt. Schließlich bestätigte er mir sein Vorhaben, was ich eben begriffen hatte. Die Tour soll gehen: in den Hülser Bruch, über den Inrather Berg weiter zum Hülser Berg, also darüber, dann von dort aus über einen nördlichen Wendepunkt nahe Neukirchen-Vluyn hin zum Egelsberg, natürlich auch darüber, und zu guter Letzt von dort aus um den Elfrather See zurück nach Krefeld. Ich grübelte eilig, wie ich aus der Nummer rauskomme. Es war sonst immer noch keiner da, außer uns beiden.
Erster Akt
Die Uhr auf der Dionysiuskirche zeigte jetzt schon 18.38 Uhr. Nur kneifen konnte ich jetzt auch nicht mehr. Also sagte der Tourenleiter: „Dann starten wir mal“. Hochmotiviert fuhr ich mit ihm los. Der Regen wurde stärker. Am Inrather Berg war ich schon völlig durchnässt – von außen und von innen. Ich wußte nicht, ob ich innen mehr schwitzte als ich vom Regen außen naß werde oder umgekehrt. Oben auf dem Inrather Berg hatten wir dann nach Osten eine tolle Aussicht. Die Regenfront schien langsam abzureißen. Von weitem hörten wir es noch donnern. Die eigentliche Gewitterzelle war, so glaube ich, eher im Krefelder Süden in Richtung Viersen vorbeigezogen. Das war so wenig, daß das kein Grund war jetzt nicht mit zu fahren. Außerdem wäre der Blitz sowieso erst in die lange Fahnenstange meines jetzt persönlichen Tourenleiters eingeschlagen. Nein, das war ein Scherz, so eine Überlegung hatte ich nie! Wir haben uns während der Fahrt ganz gut unterhalten. Er erzählte mir was von seiner Fahrradkleidung, die wenn es aufhört zu regnen innerhalb von ca. 7 Min. trocken ist. Ich sah an mir runter und mußte feststellen, dass das, was ich an hatte, gefühlt nie trocken wird. Da war mir auch alles egal. So langsam begann mir die Tour zu gefallen. Mir kamen dann auch noch die immer wirksamen und helfenden Kölner Grundgesetze in den Sinn – die da heißen: 1.) Et es wie et es! 2.) Et kütt wie et kütt! 3.) Et hätt noch immer jot jejange! und 4.) Wat wellste maache? – nix – weiter fahren. Wir sind dann noch den Hülser Berg bis zum Turm hochgefahren. Als ich dort etwas später wie mein Tourenleiter ankam, erwartete er mich oben mit einem Willkommensgruß – nur für mich allein
Zweiter Akt
Nach ein paar Minuten fuhren wir dann über die alte Bahntrasse in Richtung Neukirchen-Vluyn weiter. Unten im Tal haben wir sogar zwei Rehe gesehen. Das war hier am Stadtrand was Besonderes. Der Regen hatte jetzt ganz aufgehört. Tolle Wolkenformationen waren sichtbar. Und die Luft, jetzt nach dem Gewitterregen war es die beste die man sich in diesen Breitengraden vorstellen konnte. Die gab uns wieder Kraft durch tiefes Einatmen zum Weiterfahren. Denn wir mussten ja noch über den Egelsberg und um den Elfrather See. Also nicht nur in erster Linie eine sportliche Tour sondern eine wirkliche Outdoor-Tour. Mein Tourenleiter zeigte mir dann auch noch unterschiedliche Wildgänse – die einen kamen aus dem Osten und andere kamen aus Kanada. Er konnte sie anhand der unterschiedlich gemusterten Befederung erkennen. Also nicht nur nass geworden und drauf los gefahren, sondern auch was gelernt – über Fahrradkleidung, Wildgänse, Tipps und Tricks rund ums Fahrrad und über den Vorteil, was ein gutes Navi und alles was damit zusammen hängt für eine gute Tour beitragen kann. Jedenfalls nicht erst auf dem Egelsberg merkte ich, daß meine Bremsklötze so langsam in ihrer Leistung nachließen. Ich fing also an, natürlich jetzt bei der Abfahrt vom Egelsberg, so mein Tempo zu dosieren, das ich so wenig wie möglich Bremswirkung brauchte. Das Geräusch war fast schon so furchteinflössend, wie wenn Stahl sich verformt bei einem Schiffsuntergang. So umrundeten wir noch den Elfrather See und fuhren Richtung Bockum. Mein Tourenleiter mußte an diesem Abend noch zurück nach St. Tönis.
Zwei-Mann-Tour
Wir verabschiedeten uns voneinander und werteten trotz aller Umstände diese „Zwei-Mann-Sportliche-Feierabendtour“ als positive erfahrungsreiche Outdoor-Tour. Das waren jetzt ca. 40 km in 2 1/2 Stunden. Ich glaube, ich habe jetzt länger geschrieben. Zu Hause angekommen, habe ich erst mal meinem Fahrrad eine erneute kräftige Dusche gegönnt. Denn das ist super gefahren und ich brauchte es am nächsten Morgen ja wieder. Die Bremsen habe ich teilweise nachgestellt und wo es nötig war, die Bremsklötze ausgetauscht. Das hat dann noch einmal ca. eine Stunde gedauert, bis mein Fahrrad wieder straßentauglich war. War doch gar nicht so schlimm! Nach dem Duschen habe ich mich dann bei Musik entspannt.