Vorwort

Editorial zum Herbst-/Winterheft 2011/12

In der Weihnachtszeit ist oft die Rede von „Geben und Nehmen“. Für FahrradfahrerInnen ist dieses Gleichgewicht zur Zeit allerdings gestört. Die Beteiligung an Aktionen zum aktiven Klimaschutz wie Stadtradeln und „Mit dem Rad zur Arbeit“ ist unverändert hoch. Wenn mit Pedelecs und E-Bikes Autofahrten ersetzt werden, trägt dies weiter zur Einsparung von Primärenergie und Reduzierung von CO2-Ausstoß bei. Medienprofis nutzen das Fahrrad als Transportmittel für ihre Werbebotschaften aller Art. So weit, so gut.

Dagegen werden Unterhalt und Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur sträflich vernachlässigt: Während gerade die letzten Fördergelder des Konjunkturpakets in Flüsterasphalt für den Autoverkehr investiert werden, ist der Zustand vieler Radwege in Stadt und Land oft beklagenswert. Entsprechende Haushaltsmittel werden nur in homöopatischem Umfang bereitgestellt. Es bleibt – im wahrsten Wortsinn – noch ein steiniger Weg bis zu einer fahrradfreundlichen Infrastruktur. Der Sanierungsbedarf könnte durch selektive Aufhebung der Benutzungspflicht von schlecht ausgebauten Radwegen an weniger befahrenen Straßen gedämpft werden, was jedoch oft auf politische Widerstände stößt. Selbst bei neuen Ampelanlagen werden für Fahrrad- und Fußverkehr diskriminierend kurze Grünphasen programmiert – was zur gefährlichen Missachtung von roten Ampeln verleitet.

Auf Landesebene sieht es kaum besser aus: Die rot-grüne Regierung beteuert, den Fahrradverkehr wieder mehr fördern zu wollen. Doch was ist davon zu halten, wenn sie anlässlich einer kleinen Anfrage im Landtag jeglichen Sanierungsbedarf für Radwege an Landesstraßen zwischen Dormagen und Grevenbroich abstreitet? Angeblich steht dafür ein Millionenbetrag zur Verfügung, aber bei uns vor Ort scheint davon nichts anzukommen. Da fragen wir uns schon, ob die Mittel von den zuständigen Stellen überhaupt abgefordert werden.

Und übrigens: Auch im Winter wird zur Arbeit und zur Schule gefahren. Und, ja, auch mit dem Rad. Aber was nützen die gebunkerten zigtausend Tonnen Streusalz, wenn zum Beispiel im Kreis Viersen für 170 Kilometer Radwege nur ein Räumfahrzeug zur Verfügung steht. Oder wenn die Städte Neuss und Düsseldorf so lange darüber nachdenken müssen, wer auf der Rheinbrücke zwischen Uedesheim und Flehe den Schnee von den Radwegen räumen muss, bis die Frühlingssonne ihn gnädig wegschmilzt?

Es könnte also durchaus sein, dass friedlichen Stadtradelerinnen und Mit-dem-Fahrrad-zur-Arbeit-Fahrern bald der Helm oder die Mütze hoch geht und sie zu Wutbürgern werden, die ihrem Ärger vor den Parlamenten auch mal etwas lautstärker Luft machen.

Andreas Domanski und Heribert Adamsky

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