Vorwort

Editorial zum Herbst-/Winterheft 2012

Noch nie gab es in der Fahrradtechnik so viele Innovationen mit hohem praktischen Nutzen wie heute. Scheinwerfer, die die Fahrbahn mit geringster Leistung großzügig ausleuchten, elektrische Zusatzantriebe, die auch an längeren Steigungen zügige Fahrt ermöglichen und Gangschaltungen, die kaum Wünsche offen lassen. Der Markt saugt die Innovationen förmlich auf. Vor allem Pedelec, die Fahrräder mit den elektrischem Rückenwind, erschließen neue Kundenkreise und bescheren dem Fahrradhandel gute Umsätze.

Schade nur, dass viele Radwege holprig und zu schmal sind, um darauf zügig und sicher ans Ziel zu kommen. Oder wenn das teure Rad gar gestohlen wird, weil es an sicheren Unterstellmöglichkeiten mangelt.

Könnten Radfahrende mit den Füßen abstimmen und ihren Wohnort allein nach der Fahrradfreundlichkeit wählen, würden sie nach Freiburg oder Münster umsiedeln oder gar nach Groningen oder Kopenhagen auswandern. Die dänische Hauptstadt hat ein beispielloses Förderprogramm für den Fahrradverkehr aufgelegt, das selbst die Niederländer neidisch werden lässt. Die internationale Fahrradszene verwendet inzwischen das Kunstwort „copenhagenize“ als Inbegriff für Fahrradfreundlichkeit. Den niederrheinischen Städten würde es gut tun, wenn etwas von dieser Bewegung hier herüberschwappt und uns alle ein bischen kopenhagenisiert.

Andreas Domanski

Trotz deutlich bescheidenerer Umstände sieht man auch auf unseren Straßen immer mehr Radfahrer auf Alltagswegen – zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen. Junge Menschen machen später den Führerschein oder lassen es, vor allem in den Großstädten, ganz bleiben. Sie geben ihr Geld lieber für elektronische Geräte und ein gutes Fahrrad aus als für ein Auto. Ältere Bürger lassen das Auto stehen und fahren gemeinsame Radtouren, um sich fit zu halten und das Leben zu genießen. Im Büro kommen Eiskratz- und Staugespräche aus der Mode, die Themen in der Teeküche drehen sich zunehmend ums Fahrrad. Wer mit Regenjacke und Helm kommt, wird nicht mehr belächelt, sondern bewundert.

Doch machen wir uns nichts vor: Konsequente Alltagsradler sind immer noch eine relativ kleine Avantgarde. Will man die großen Pendlerströme umleiten, dann muss man eine Infrastruktur schaffen, die nicht nur die ganz Harten zum Umsteigen bewegt, sondern für alle gesundheitsbewussten Menschen attraktiv ist. Man braucht breite Wege, auf denen Radfahrer ohne Umweg, mit nur wenigen Ampeln, schnell und bequem zum Ziel kommen: Radschnellwege nach dem Vorbild der Niederlande und Kopenhagens. Dafür hat das Land NRW jetzt einen Wettbewerb um die fünf besten Konzepte ausgelobt. Wir sprechen bereits mit Politikern aller Parteien darüber, wie wir diese Chance auf ein Stück „Kopenhagenisierung“ nutzen können.

Heribert Adamsky

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