Die neue Straßenverkehrsordnung

Am 1. April trat die Neufassung der Straßenverkehrsordnung (StVO) in Kraft. Rad am Niederrhein stellt die wichtigsten Änderungen für Radfahrer vor.

re_stvo_1_geboteDie Straßenverkehrsordnung war in die Jahre gekommen. Seit ihrem letzten Erscheinen 1970 waren nur Änderungen und Ergänzungen erlassen worden. Dies geschah zuletzt in den Jahren 2009 und 2010. Aufgrund eines Grundgesetzverstoßes musste die Verordnung komplett überarbeitet und neu erlassen werden.Die nun in Kraft tretende Version hat neben der Behebung dieser formalen Mängel vor allem das Ziel, den Schilderwald zu reduzieren, indem einige Verkehrszeichen abgeschafft werden oder die Bedeutung von anderen geändert wird. Damit erreicht ein bereits Mitte der 80er Jahre begonnener Prozess seinen vorläufigen Abschluss. Bereits 1997 waren mit der sogenannten Fahrradnovelle viele richtungsweisende Regelungen für Radfahrer in die Straßenverkehrsordnung eingeflossen, die den modernen Radverkehr maßgeblich bestimmen. Seitdem hat man viele positive Erfahrungen gesammelt, die ebenso wie die politischen Vorgaben aus dem „Nationalen Radverkehrsplan 2002-2012“ in der nun beschlossenen sogenannten „Schilderwaldnovelle“ der StVO berücksichtigt sind.

Benutzungspflichten und -rechte

re_stvo_2_rvfreiWie bisher auch, müssen Radfahrer grundsätzlich auf der Fahrbahn fahren. Eine Pflicht, Radwege zu benutzen, besteht nur dann, wenn diese durch eines der blauen Schilder mit Fahrradsymbol gekennzeichnet sind (siehe Bild weiter oben). Ist auf der rechten Straßenseite ein baulich angelegter Radweg vorhanden, der nicht beschildert ist, darf man ihn befahren, muss es aber nicht. Radwege auf der linken Seite dürfen nicht befahren werden, außer sie sind mit einem der genannten blauen Gebotszeichen angeordnet. Neu ist die Regelung, dass Behörden Radwege auf der linken Seite mit dem alleine stehenden Zusatzzeichen „Radverkehr frei“ (siehe nebenstehendes Bild) freigeben dürfen. Mit diesem Benutzungsrecht erhalten die Verkehrsplaner die Möglichkeit, Radfahrern neue Streckenführungen anzubieten. So ist es zum Beispiel denkbar, dass ein linker Radweg freigegeben wird, um Radfahrern einen größeren Umweg zu einem wichtigen Ziel oder mehrfache Straßenquerungen zu ersparen. Nach dem bisherigen Recht wäre eine solche Lösung zwangsläufig mit einer Benutzungspflicht unter ihren strengen Voraussetzungen verbunden gewesen.
Gehwege sind generell für Radfahrer tabu – es sei denn, das Zusatzzeichen „Radverkehr frei“ zu einem Gehwegschild (blaues Gebotsschild nur mit Fußgänger, ohne Fahrradsymbol) erlaubt es Radfahrern, auf dem Fußweg zu fahren. Dabei muss auf Fußgänger besondere Rücksicht genommen werden werden, damit sie keinesfalls gefährdet oder behindert werden. Deshalb ist auf solchen freigegebenen Gehwegen jetzt Schrittgeschwindigkeit ausdrücklich vorgeschrieben. Notfalls muss man sogar warten. Bislang war nur angepasste Geschwindigkeit gefordert.

Fahrradstraßen und Radverkehrsanlagen auf der Fahrbahn

Auf Fahrradstraßen gab es bisher keine Höchstgeschwindigkeit. Ab April gilt hier Tempo 30. Autofahrer müssen ihre Geschwindigkeit sogar unter Umständen noch weiter drosseln, um den Radverkehr nicht zu behindern oder gar zu gefährden. Vor allem Autofahrer sind von dem neuen Haltverbot auf Radfahrstreifen betroffen. Radfahrstreifen sind durch eine breite durchgezogene Linie auf der Fahrbahn abgesetzt und stehen ausschließlich dem Radverkehr zur Verfügung. Bisher mussten die Behörden entlang von Radfahrstreifen ein Haltverbot mit gesonderten Schildern extra ausweisen. Mit der neuen Regelung ist das Halten automatisch verboten. Auf Schutzstreifen, die durch eine unterbrochene schmale Linie abgegrenzt werden, gilt nun analog ein Parkverbot. Die Schutzstreifenmarkierung soll von Kraftfahrzeugen nicht überfahren werden, außer wenn z. B. Lkw oder Busse den Platz unbedingt benötigen. Die Fahrer müssen dabei auf den Radverkehr Rücksicht nehmen.

Vorschriften zu Kinderanhängern
Die bisherige Straßenverkehrsordnung enthielt keine speziellen Regelungen für die Mitnahme von Kindern in Fahrradanhängern. Diese Transportart hat in den letzten Jahren erheblich an Beliebtheit gewonnen. Mit der neuen StVO dürfen in einem dafür speziell geeigneten Anhänger maximal 2 Kinder bis 7 Jahre mitgenommen werden. Der Radfahrer muss mindestens 16 Jahre alt sein. Diese Altersgrenzen entsprechen denen für die Mitnahme eines Kindes auf einem Fahrradsitz.

Regeln an Ampeln und für Inlineskater

An Ampeln gilt zukünftig diejenige für den Fahrverkehr grundsätzlich auch für Radfahrer. Fährt man auf einer Radverkehrsanlage (z. B. Radweg oder Radfahrstreifen), gelten die Ampeln mit einem Fahrradsymbol. Noch bis Ende 2016 müssen Radfahrer auf Fußgängerampeln achten, wenn die Fahrradfurt direkt an die Fußgängerfurt grenzt. Diese Übergangsregelung soll den Straßenverkehrsbehörden genügend Zeit geben, die Ampeln an die neue Rechtslage anzupassen.

re_stvo_4_skfreiAuch wenn es ein erklärtes Ziel der „Schilderwaldnovelle“ war, die Anzahl der Schilder zu verringern, gibt es auch neue Verkehrszeichen: Für die wachsende Zahl an Inline-Skatern erlaubt das Zeichen „Inline-Skaten und Rollschuhfahren frei“ die Benutzung eines Radwegs, auch wenn sie sonst den danebenliegenden Gehweg benutzen müssten. Gibt es keinen Gehweg, müssen Skater den Seitenstreifen oder den rechten Fahrbahnrand nutzen.

Die StVO-Neuerungen im Überblick: http://www.adfc-nrw.de/28ce19bb.l

Info: Die StVO und das Radwegeurteil
Das bekannte Radwegeurteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2010 (siehe Rad am Niederrhein 1/2011) ist genau in die Zeit gefallen, als die StVO-Version von 2009 bereits wieder kassiert war. Um Konsequenzen aus dem Urteil zu vermeiden, hat es Versuche gegeben, die Rechtsgrundlage so zu verändern, dass das Urteil nicht mehr greifen würde. Durch intensive Einflussnahme des ADFC auf allen Ebenen konnten solche Änderungen verhindert werden. Wenn nun ab April die neue Straßenverkehrsordnung in Kraft tritt, wird der ADFC seine Anstrengungen verstärken, die Straßenverkehrsbehörden zu veranlassen, dort benutzungspflichtige Radwege aufzuheben, wo keine Notwendigkeit besteht. Stattdessen sollen Radfahrer eine Wahlmöglichkeit erhalten, auf dem Radweg oder der Straße zu fahren. Außerdem sollen alle Radwege unabhängig von einer Benutzungspflicht auf ein modernes und sicheres Niveau gebracht werden. Hierzu hat der ADFC-Bundeshauptausschuss Ende Januar in Fulda die Weichen gestellt.
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