Rechtzeitig zum Frühjahr: Der Klingeltypen-Katalog. Eigentlich erstaunlich, dass es zum richtigen Gebrauch der Klingel bis heute keine ernsthafte Untersuchung gibt. Dabei bietet gerade der Signalgeber am Fahrrad unter kommunikationswissenschaftlichen Gesichtspunkten ein weites Forschungsfeld, das es gründlich zu beackern gilt.
Nun, vielleicht liegt es daran, dass sich das Thema „Klingel & Co.“ nur mit einer gehörigen Portion Humor ertragen lässt. Wagen wir uns also an den Versuch, dem Klingeln, Läuten und Hupen ein wenig auf die Spur zu kommen. Denn mit den ersten Sonnenstrahlen nimmt im Frühjahr die Verkehrsdichte der nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer erheblich zu. Und damit das Gedränge auf Rad- Feld- und Waldwegen.
Hier der Signalgeber, der agiert, und dort der Empfänger, der äußerst unterschiedlich reagiert. Heraus kommt nicht selten eine Situation, in der wenigstens einer der beiden Parteien der Kamm schwillt. Doch schauen wir einmal genauer hin und wagen eine feine Unterteilung:
Der „Ich-bin-der-Größte-und-habe-deshalb-Vorfahrt!“-Radler
Wäre er Autofahrer, so würde er den Mercedes-Stern vor sich her tragen. Da er das nicht muss, hat er ständig den linken Daumen am Abzug, Entschuldigung, natürlich an der Klingel. Gnadenlos drückt er aufs Tempo, sei der Radweg auch noch so schmal und die Zahl der Fußgänger noch so hoch. Wer nicht beiseite springt, läuft in Gefahr unter die Räder zu geraten. Wer zu langsam ist, wird angeschnauzt. Dem „King of the Radweg“ kann keine Klingel laut genug sein. Besonders aggressive Zeitgenossen greifen deshalb zur pressluftbetriebenen Hupe. Besonders auffällig bei diesem Typus ist, dass er zur Schizophrenie neigt: Ist er ausnahmsweise einmal als Fußgänger unterwegs, so reagiert er äußerst ungehalten auf klingelnde Radfahrer, die an ihm unfallfrei vorbei wollen.
Der „Zu-spät-Klingler“
Er ist der eher schüchterne Typ. Mit seiner introvertierten Art die Klingel zu betätigen erschreckt er Radler und Fußgänger, die nicht selten ungehalten reagieren, weil erschrocken, da bis gerade noch ‚vor-sich-hin-sinierend‘ – wie der Kölner zu sagen pflegt. Im Gegensatz zum erstgenannten Typ ist er jedoch lernfähig. Mit der Zeit merkt er, dass es durchaus Sinn macht, rechtzeitig zu klingeln, so dass niemand vor Schreck herzinfarktgefährdet daniedersinkt.
Der „Wozu-denn-eine-Klingel?“-Typ
Diese Spezies ist eng verwandt mit Typ eins, auch wenn dies auf den ersten Blick nicht so aussieht. Beide eint der unerschütterliche Glaube, immer im Recht zu sein. Mit einem Schuss südländischer Raffinesse umkurvt er seine „Gegner“ im Straßenverkehr. Er ist fest davon überzeugt, alles stets im Griff zu haben und rechtzeitig ausweichen oder bremsen zu können.
Der „Eine-Klingel-kommt-mir-nicht ans-Rad!“-Typ
Dieser meist recht ambitionierte Menschenschlag findet sich vornehmlich am dünn- und dickreifigen Ende der Radler-Skala. Auf glattem Asphalt begegnet er einem meistens mit gequältem Gesichtsausdruck auf dem knochenharten Sattel seiner Carbon-Rennmaschine. Mehr Gefahr aber für den „Normalo“-Radler und Fußgänger droht vom anderen Ende der Skala: dem Mountainbiker. Wie eine biblische Plage ist er in den letzten Jahren über Wanderer und Spaziergänger in Wald und Flur gekommen. Einige Rennradfahrer wie auch Mountainbiker leiden offensichtlich unter der Wahnvorstellung, dass die wenigen Gramm einer funktionierenden Klingel (und Lichtanlage) ihr Rad schier unfahrbar machen. Ihre nicht selten narzisstische Persönlichkeit verbietet es Ihnen, das Gewicht der Sicherheitsausstattung ihres Bikes durch eigene Gewichtsabnahme einzusparen. Sie werden zur Gefahr und fühlen sich dabei auch noch im Recht, weil clevere Lobbyisten es verhindern, dass alle Räder in Deutschland verkehrssicher ausgestattet werden müssen.
Der freundlich-kommunikative Typ
Ein leider immer noch viel zu seltenes Exemplar. Dabei wäre er derjenige, den wir alle in uns wecken sollten. Er klingelt mit einem freundlichen „Ping“ aus größerer Distanz, hält genügend Sicherheitsabstand ein und bedankt sich beim Vorbeifahren für die Rücksichtnahme. Und in ganz besonders glücklichen Momenten fühlt sich auch der Überholte nicht herausgefordert oder angegriffen. Und lächelt freundlich zurück.
Manchmal treffen wir ihn, als Fußgänger oder Radfahrer. Woran man ihn erkennen kann? Am Lächeln auf den eigenen Lippen, wenn er längst vorbei ist.