Vom 7. März bis 22. September war die Vitusstadt selbsternannte Fahrradstadt. Die Aktion kam bei den Menschen sehr gut an. Ihr Erfolgsgeheimnis: Nicht Radwege, sondern die Radfahrer standen im Mittelpunkt.
Lässt sich aus einer fahrradunfreundlichen Stadt eine fahrradfreundliche(re) Stadt machen? Innerhalb kurzer Zeit und mit geringen finanziellen Mitteln? Diese Frage bewegte den Mönchengladbacher Künstler Norbert Krause, nachdem seine Heimatstadt 2012 erneut auf einem der letzten Plätze beim Fahrradklimatest des ADFC landete. Er entschloss sich, anders als üblich, nicht die Fahrradwege, sondern vielmehr die Fahrradfahrer selbst in den Mittelpunkt seines Projektes zu stellen. Seit dem Frühjahr wird deshalb in Gladbach nicht die vorhandene Struktur thematisiert, sondern der Umgang mit dieser.
Vormachen, nachmachen, selbermachen
Ziel ist es, den Rad fahrenden Bürgern Werkzeuge an die Hand zu geben, ihre Stadt selbst fahrradfreundlicher zu gestalten, statt einzig den frommen Wunsch zu pflegen, Politik und Verwaltung könnten eines Tages für Besserung sorgen. Das 200 Tage dauernde Projekt, bei dem der Initiator von einem starken Team unterstützt wird, lenkt über den gesamten Zeitraum mit Aktionen vermehrte Aufmerksamkeit auf Fahrradfahrer in der Stadt. Am 7. März ging es los. Mittels einer blauen, ans Rad geklebten Plakette erkennen und bekennen sich seitdem knapp 2000 Fahrradfahrer in und zu ihrer Fahrradstadt. Bereits der gemeinsame Fahrradfrühjahrsputz im April, an dem sich auch der ADFC mit einem gut besuchten Stand beteiligte, war ein großer Erfolg und konnte zahlreiche Teilnehmer und Interessierte begrüßen. Wenig später folgte die Ausstellung „Der gute Weg“, die in der Stadt aktive Radfahrer pragmatisch dazu aufrief, ihre guten Strecken durchs Stadtgebiet in Karten einzuzeichnen. Krause nennt das „privates Wissen öffentlich machen“. Zum Schluss entsteht aus den so gesammelten Wegen ein Routenplan. Bis dahin wird beim monatlichen Rundradeln (anderswo Critical Mass genannt) weiterhin gemeinsam per Rad die Stadt von der Straße aus erkundet.
Mit Partnern, Freunden und Verbündeten
Um etwas anderes anderes ging es beim Tandem- Single-Speed-Dating: Gute gemeinsame Balance sei entscheidend für eine Beziehung, so die Macher, und folglich setzen sie die potentiellen, zukünftigen Liebespaare nicht an einen Tisch, sondern aufs Tandem; fünf Minuten lang im Kreis fahren werden’s schon zeigen… Dem beteiligungsstarken Projekt haben sich mittlerweile allerlei Institutionen angeschlossen und tragen ihren Beitrag zur Fahrradstadt bei.
Zum Beispiel die Stadtbibliothek, die beiden großen Museen Abteiberg und Schloss Rheydt, die Masterplaninitiative MG3|0 oder das Kulturbüro, das einen Malwettbewerb für Kinder zum Thema Fahrrad beisteuerte. Musisch wurde es unter prominenter Beteiligung der Niederrheinischen Sinfoniker mit der Umsetzung eines ungewöhnlichen Konzeptes von Yoko Ono: Bicycle Piece for Orchestra: In festlicher Montur griffen die Musiker diesmal nicht zum Instrument, sondern zu ihrem Rad und zogen ihre Kreise durchs Schauspielhaus. Der Kurzfilm hierzu feiert am 21.9. anlässlich der Mönchengladbacher Ateliertage parc/ours Premiere. Am 22. September fand eine große Abschlussaktion statt: Begleitet von der Polizei wurde die Hauptverkehrsachse Rheydt-Gladbach in Beschlag genommen und schließlich auf der vierspurigen, dann gesperrten, Bismarckstraße gefeiert.Weitermachen
Ob danach alles vorbei ist? Schon jetzt lässt sich sagen, dass das Projekt seine Spuren hinterlassen hat. Nie zuvor stand das Thema Fahrrad derart im Mittelpunkt in der Vitusstadt. Bei allen Kooperationen, die im Laufe der 200 Tage entstanden sind, wäre es schon sehr verwunderlich, wenn die Stadt zurück in den Fahrrad-Dornröschenschlaf fallen würde. Vielleicht heißt es also bald: 365 Tage Fahrradstadt. Der Grundstein ist gelegt. Der ADFC hat die Idee des Rundradelns schon aufgegriffen.