Wem Rahmen aus Stahl, Alu oder Carbon zu profan sind, der findet bei „Mein Fahrradladen“ in Mönchengladbach vielleicht das richtige Rad.
VON GERD DREßEN
„Wer unsere Holz-Cruiser fährt, sollte auf keinen Fall menschenscheu sein, denn mit den Dingern fällst du auf, ob du willst oder nicht“, weiß der 27-Jährige mit kroatischen Wurzeln aus eigener Erfahrung: Wo immer er mit seinen außergewöhnlichen Bikes auftaucht, steht er im Mittelpunkt und wird von interessierten Passanten mit Fragen bombardiert.
Natur und Technik finden kunstvoll zusammen
Aus so genannten Multiplex-Platten wie es sie in jedem Baumarkt gibt – also dickem Sperrholz – baut Vater Josef in 60-80 Stunden einen Rahmen. Und lässt dabei seiner Kreativität und seiner künstlerischen Inspiration freien Lauf: „Schau mal den dort drüben in offener Kastenform. Der erinnert doch irgendwie an Mondrians Gemälde, oder?“ Stimmt. Und dieses wie aus dem ganzen Baumstamm gefräste Colani- Bike hier mit den drei markanten Löchern in der Längsstange? Josef: „Nee, das ist keine Kunst, sondern nur saupraktisch. Das sind die in den Rahmen integrierten Cupholder für drei Flaschen Pils, Kölsch oder Alt.“ Auch das Thema „grünes Rad“ haben die beiden aufgegriffen: Ein Recycling-Bike entstand aus einem alten Kleiderschrank. IKEA – es kommt drauf an, was man draus macht!Bei aller Liebe zum Außergewöhnlichen auf zwei Rädern weiß Tomi Novosel als gelernter Zweiradmechaniker, der gerade für seinen Meistertitel lernt, jede Menge über Fahrradphysik: „Beim Berechnen der Rahmen musst du die Belastungspunkte kennen und richtig auslegen.“ Tja, und bei der Fertigung darf Vater Josef sich keine Fehler erlauben: „Was du einmal abgehobelt hast, kannst du nicht wieder dranschweißen.“ Durchaus 300 Stunden Arbeit stecken in so einem Cruiser, den es dann ab 6.500 Euro zu kaufen gibt. Dafür erhält der Kunde dann gewissermaßen die „Blaue Mauritius“ auf zwei Rädern, also etwas Einzigartiges, ein echtes Sammlerstück. (Alles Wissenswerte unter www.holzcruiser.de)
„Die Stadt gehört den Fahrädern“
Tomi ist ein Fahrradverrückter: „Außerhalb von Gebäuden gehe ich keinen Meter zu Fuß. Ich mache alles mit dem Rad und fühle mich wie halb Mensch und halb Bike.“ Auf zwei Rädern gehört er zu den ganz harten Jungs und hat sich bei Downhill-Races schon mehrere Knochen gebrochen. Zum eigenen Fachgeschäft aber ist er aus einer Not heraus gekommen: „Vor gut zehn Jahren musste ich dringend eine Ausbildungsstelle finden, um meine Aufenthaltsgenehmigung hier in Deutschland nicht zu verlieren. Und hier im Fahrradladen gab es eine für mich.“ Das Happy End: Das alteingesessene Geschäft hat er vor gut einem Jahr vom Vorbesitzer übernommen.Nicht nur, wenn‘s um Holz-Cruiser geht, lässt Tomi die Wünsche seiner Kunden wahrwerden. Das fängt an mit einer ausführlichen Beratung: „Wer nur hin und wieder ein Rad braucht, der findet bei uns einen preisgünstigen Drahtesel, aber eben keinen Schrott ab Werk. Wer aber jeden Tag 40 km und mehr fährt, der muss für ein gutes Rad schon über 1.000 Euro ausgeben.“ Am liebsten baut der Zweiradmechaniker ein Rad komplett nach Kundenwunsch. Und dabei bleiben dann wirklich keine Wünsche offen. Zahnriemenantrieb? Parallelogramm-Sattelstütze? 8-Kolben-Bremsanlage und Federn aus dem professionellen MTB-Bereich? Alles kein Problem für Tomi, der auf Messen und im Internet ständig nach Zweirad-Innovationen sucht – oder sie auch selbst baut, wenn es sie auf dem Markt nicht gibt.
Um die Zukunft des Fahrrads macht er sich keine Sorgen: „Die Stadt gehört den Fahrrädern, denn da leben immer mehr Menschen. Und die Autos können nun mal nicht kleiner werden als ein Smart.“ Und um seine eigene? Tomi: „Es gibt immer mehr aufgeschlossene Leute, die ein maßgeschneidertes Fahrrad und unsere Wertarbeit schätzen und fair bezahlen. Für diese Leute gehört es zur Nachhaltigkeit, dass ich auch in drei Jahren mein Geschäft noch habe, damit ich Ihre hochwertigen fahrbaren Untersätze weiter warten kann.“