Ich bin jetzt eine Berufsradlerin!

Unsere Autorin fährt täglich mehr als 20 Kilometer mit dem S-Pedelec zur Arbeit. Lesen Sie, warum sie nicht mehr zurück will in die Autozeit.

Von Angelika Dreßen

Pendelt mit dem S-Pedelec zur Arbeit - die Berufsradlerin

Pendelt mit dem S-Pedelec zur Arbeit – die Berufsradlerin

Jeder Tag ist ein kleiner Urlaub. Er beginnt morgens, wenn ich mich von Dormagen-Gohr auf den Weg zur Arbeit auf die andere Rheinseite nach Leverkusen-Hitdorf mache. Denn, anders als noch vor wenigen Wochen, stehe ich nicht mehr mit den anderen Berufsfahrern genervt an Ampeln. Auch stresst mich der Stau auf der maroden Brücke am Kreuz Leverkusen-West nicht mehr. Denn ich habe nach vielen, vielen Jahren für mich entdeckt, dass der Weg zur Arbeit auch anders zu bewältigen ist, als mit einem benzinbetriebenen Vehikel. Und so hole ich nun jeden Morgen mein neues S-Pedelec aus der Garage und mache mich auf den Weg – ein Weg übrigens, der mit dem Auto nahezu doppelt so lang wäre.

Und so genieße ich nun die frühe Morgenstunde, sause an taubedeckten Feldern vorbei und versuche, die wagemutigen Weinbergschnecken, die im Mühlenbusch meinen Weg kreuzen, nicht ins Jenseits zu befördern. Ich sehe, wie der Sommer sich verändert, die Felder gemäht wurden, die ersten Gänse schon mal die lange Winterreise üben und so langsam die herbstliche, frische Morgenkühle auf die kalte Jahreszeit vorbereitet. Ich gebe Gas, denn meine erste Etappe ist die Zons- Urdenbacher Rheinfähre. Und die fährt pünktlich!

Menschliche Begegnungen

An Bord warten schon die anderen Berufsradler auf ihren Tourenrädern. Anfangs beäugten sie mich kritisch: „Jetzt kommen schon die E-Bike- Fahrer…“ Hat das elektrobetriebene Zweirad doch noch immer den Ruf eines Alte-Leute-Fortbewegungsmittels. Das S-Pedelec als blitzschnelles Vehikel für Berufsfahrer, die schnell von A nach B müssen, hat sich noch nicht in den Köpfen eingenistet. Und noch etwas stört: Wenn ich morgens mit leichtem Tritt an den schwerkämpfenden Radlern vorbeibrause, kratzt das erheblich am Ego. „Jetzt kommt er wieder, der schlimme Moment“, hörte ich von einem Mitstreiter an Bord. Denn er leidet so sehr, wenn ich mit leichtem Tritt an ihm vorbeiradle. Erleichtertes Aufatmen, als er erfährt, dass ich mit Tempo 35 auf der Überholspur unterwegs bin. Er muss nicht mehr besser, schneller sein, ich bin keine Konkurrentin. Gegenüber dem schnellen S-Pedelec kann er mit reiner Muskelkraft nun wirklich nichts ausrichten.

Tägliche Gewohnheiten

Insbesondere auf meinem Hinweg erlebe ich, wie viele Menschen feste Gewohnheiten haben. Auf dem Schiff trifft sich jeden Morgen dieselbe muntere Radler-Runde an Deck, während die Autofahrer in ihren Fahrzeugen sitzen – allein, lesend, rauchend oder mit ihrem Handy spielend und die meisten ein wenig müde. Wir Radler hingegen sind hellwach. Auf der anderen Seite strampelt dann jeder seines Weges und es gibt die nächsten kleinen Begegnungen. Da grüßt freundlich das alte Ehepaar, das jeden Tag in der Urdenbacher Kämpe mit seinem Hund spazieren geht. Auf dem Radweg am Rhein entlang in Richtung Monheim begegne ich der jungen Frau, die in sich gekehrt betet. In den Rheinauen kurz vorm Ziel versucht eine abgehetzt wirkende Hundehüterin sieben Berner Sennenhunde in den Griff zu bekommen. Die drei Joggerinnen kennen mich auch schon. Und da ist er wieder, der alte Herr, der, obwohl sichtlich körperlich beeinträchtigt, eisern und sehr vorsichtig Schritt vor Schritt setzt.

Und so bin ich ein wenig traurig, wenn ich vor dem Werkstor stehe, mein Fahrrad abstelle und mich auf den Weg in die Dusche mache. Hierfür bin ich meinem Unternehmen sehr dankbar. Ich habe die Möglichkeit zu duschen und den Schlüssel für einen eigenen Spind, in dem ich ein paar Kleidungsstücke und weitere Utensilien aufbewahre. Und was ich sonst noch so brauche, das befindet sich in meinen Satteltaschen. Die kühle Dusche tut richtig gut, bevor das Tagewerk beginnt. Denn es ist eben nicht ein „Alte-Leute-Fahrrad“, das S-Pedelec. Wer zügig fährt, bringt seinen Kreislauf ordentlich in Schwung und gerät ins Schwitzen. In meiner Firma haben viele Mitarbeiter Dienstwagen. Dienstfahrräder gibt es nicht, obwohl diese doch mittlerweile ebenfalls steuerlich absetzbar sind. Gefragt habe ich in unserer Personalabteilung schon mal, aber neue Entwicklungen brauchen wohl einfach noch ein bisschen Zeit…

Ein stressiger Tag geht zu Ende. Ich setze mich aufs Pedelec und brause ihm davon. Und wenn ich dann zu Hause bin, dann ist der Kopf wieder frei und alles ist gut.

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