Was für ein wunderbares Gefühl! Ich bin „on the road again“. Mein Rad und ich. Sicher, wir sind in den vergangenen Jahren viel auf Reisen gewesen. Amsterdam, Berlin, Brandenburg, an der Lahn, in der Schweiz. Aber heute Morgen ist alles anders: Der bequeme Lastesel für Rad und Gepäck, das Auto, bleibt zuhause. Meine Reise an den Bodensee beginnt vor der eigenen Haustür. Diesmal kein motorisierter Individualverkehr, sondern multimodaler ÖPNV. Ein kleiner Test für „Rad am Niederrhein“: Wie reist es sich mit dem Drahtesel im Gepäck per Fernbus in den Süden der Republik und wieder zurück? Und wo wartet eine günstige Unterkunft?
Für Sie getestet: Radreise mit dem Fernbus vom Kölner Dom den Rhein hinauf nach Konstanz am Bodensee
Bus oder Bahn?
Gute Planung ist entscheidend. Sie startete einige Wochen vor der Fahrt und lässt sich in Zeiten des Internets recht komfortabel bei den üblichen Verdächtigen auf www.bahn.de und dem Vergleichsportal www.fernbusse.de erledigen. Die mit Bus und Bahn zu bewältigende Route: vom Bahnhof Dormagen-Nievenheim nach Konstanz und retour. Das Ergebnis: Für genau 72 € bringt mich der Anbieter MeinFernbus.de vom Kölner Hauptbahnhof nach Konstanz und zurück – inklusive Rad und Gepäck! Die nächste Überraschung: Wer frühzeitig bucht und bei Reisetag und -zeit flexibel ist, ist mit der Deutschen Bahn genauso günstig unterwegs! Wenn er denn eines der begehrten Sparabos ergattern kann. Der Normalpreis (2. Klasse) mit der Bahn liegt dann aber doch bei gut 200 €! Bei Bus und Bahn kostet der Radtransport pro Strecke neun Euro.
Soweit die Kosten. Und wie sieht es mit der Fahrzeit aus? Bahnreisen an den Bodensee gelten unter erfahrenen Tourern als Horrortrip mit der ‚schwäbschen Eisenbahn’. Vor allen Dingen dann, wenn Radfahrer beim schnellen ICE draußen bleiben müssen (außer sie haben ein Faltrad dabei!). So zuckelt man gemütlich mit S-Bahn, IC oder Regio Richtung Schweizer Grenze – und ist zwischen sieben und acht Stunden unterwegs. Ein gutes halbes Stündchen mehr benötigt der Fernbus für die Strecke Köln-Konstanz – wenn auf der Straße nach Süden nicht irgendwo ein Stau im Weg ist. O.k., dafür kämpft die Bundesbahn immer wieder mit Verspätungen.
Und wie steht es um den Komfort? Zunächst der entscheidende Punkt: Wer schon einmal sein vollbepacktes Reiserad die Bahnsteigstufen rauf und runter gewuchtet hat – am besten unter Fahrplan-Stress, weiß, wovon hier die Rede ist. Aufzüge? Gibt’s nicht überall. Und wenn doch, sind sie zu klein für ein ausgewachsenes Reise-Stahlross. Drei bis viermal umsteigen pro Fahrt? Das braucht unter diesen unwirtlichen Bedingungen kein Mensch.
Nur nicht zu viel schleppen
Hier ist der Fernbus klar im Vorteil. Machen wir uns also auf die Reise: Mit Rucksack auf dem Rücken und zwei kleinen Gepäcktaschen am Rad (kaum zu glauben, wie wenig man doch eigentlich braucht!) geht’s die sechs Kilometer zum Bahnhof in Nievenheim. Hier ist alles perfekt, denn der Einstieg in die S-Bahn ist ebenerdig. Ganz anders im Kölner Hauptbahnhof: einmal tief Luft holen, das Rad schultern und runter damit vom Bahnsteig. Gleich um die Ecke ist der Busbahnhof. Alles wirkt ein wenig improvisierter als bei der Bundesbahn. So dauert es ein paar Minuten, bis der richtige Bussteig gefunden ist.
Hier wartet ein buntes Grüppchen auf den modernen Reisebus, der pünktlich vorfährt: Junge Leute, oft Studenten, Senioren – sie alle fahren Fernbus, weil es günstig ist und sie nicht unter Termindruck stehen. Der Fahrer ist Daniel, Mitte 30, und spricht mit osteuropäischem Akzent. Der Check-in läuft elektronisch übers Smartphone. Daniel ist hilfsbereit und hievt die Koffer in den Bauch des Busses. Da landet auch mein Rad, weil eine Befestigung am Heckträger klemmt. Kein Problem, so wird es wenigstens während der Fahrt nicht nass. Wichtig zu wissen: Wie bei der Bahn muss die Radmitnahme bei der Online-Buchung geordert werden. Und Achtung: Manch ein Fernbus-Anbieter nimmt Räder nur im verpackten Zustand mit! Für jeden Radreisenden ein No-Go.
Bitte einsteigen! Der Bus ist zu 50 Prozent besetzt, so dass jeder Passagier einen Doppelplatz für sich allein hat. Ist ja auch mitten in der Woche. Dafür ist der Komfort bei satten 100 Prozent – inklusive Steckdose für alle möglichen Mobilgeräte und Gratis-WLAN. Digital Natives, was wollt ihr mehr! Auch ich habe iPad, iPhone und Kindle dabei, um die Fahrt ohne Langeweile mit Musik, Videos und elektronischen Büchern zu unterhaltsam zu gestalten. Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt. An Bord gibt es die üblichen Naschereien, Kaltgetränke und eine Kaffee-Flat für einen Euro oder 1,50 €. Sehr sympathisch: die so genannte „Vertrauenskasse“, in die jeder den zu zahlenden Betrag legt und Wechselgeld entnimmt. Alles irgendwie extrem relaxed an Bord.
Schon nach wenigen Minuten sind wir raus aus der Kölner Innenstadt und auf der Autobahn. Wir gleiten dahin, ohne Motorlärm und lautes Rattern, das in der Bahn Telefonieren nicht selten unmöglich macht. Ganz im Gegensatz zu seinem Kollegen auf der Rückfahrt, einem waschechten Niederrheiner, der über großartige Entertainer-Qualitäten verfügt und selbst jeden Stau und seine Umfahrung zu einem Erlebnis macht, ist Daniel eher der introvertierte Typ. Auch gut. Also Ohrstöpsel rein und Musik gehört. Nächster Stopp: Straßburg, des Fahrers Waterloo. Die Stadt ist dicht. Wir kommen kaum rein und noch schlechter raus. Obendrein macht eine Kontrolle der Bundespolizei die Sache auch nicht besser. Die Beamten tun freundlich nur ihre Pflicht. Sie suchen nach illegalen Einwanderern, die offensichtlich gerne möglichst günstig reisen und deshalb die Fernbusse benutzen, um mal schnell quer durchs Land zu kommen. Die Gesetzenhüter beehren uns auf der Hin- und auf der Rückfahrt. Auch sie lieben augenscheinlich Fernbusse.
Danach geht es weiter nach Freiburg. Auch wenn wir eineinhalb Stunden im Verzug sind, hält Daniel seine Rast-und Ruhezeiten ein. Gut so. Nach drei Folgen „Quarks & Co.“ auf dem iPad, über 100 Seiten im neuen Schätzing-E-Book „Breaking News“ und mehreren gehörten Spotify-Playlists via iPhone komme ich um 22:00 Uhr ausgeruht und tiefenentspannt in Konstanz an, wo mich meine Tochter Johanna freudig erwartet. Da sie dort studiert, wo andere Urlaub machen und nur ein kleines Zimmer hat, habe ich mir eine günstige Bleibe für fünf Tage über die Privatunterkunft-Vermittlung „airbnb.com“ gesucht. Für 31 € pro Nacht stellt mir die Christengemeinde Konstanz ein helles, freundliches Zimmer mit Holzdielen, Tisch, Stuhl und Bett – sowie einer Bücherwand mit christlicher Literatur zur Verfügung. Dusche und Toilette sind auf dem Flur.
Rechnen wir einmal zusammen: Rund 80 € für den Transfer und gut 170 € (inkl. Gebühr) für die Übernachtung, macht zusammen 250 € für ein paar wundervolle Radel-Tage in der vielleicht schönsten Region Deutschlands, inklusive atemberaubendem Blick auf die schneebedeckten Schweizer Alpen. Keine Frage, da ist dann der eine oder andere Euro übrig für die besonders nahrhafte schwäbische Küche. Und so manches „Viertele“ badischen Weins.