Fahrradpolitische Standortbestimmung in Krefeld

Zur Kommunalwahl im Mai hat der ADFC den Krefelder Parteien neun Fragen zur Fahrradpolitik gestellt. Geantwortet haben Karl-Heinz Renner für Bündnis90/Die Grünen, Joachim Heitmann für die FDP, Marc Blondin für die CDU, Christof Grigutsch für die Piratenpartei und Jürgen Hengst für die SPD.  Die vollständigen Fragen und Anworten sind auf www.adfc-krefeld.de nachzulesen. Die folgende Zusammenfassung dürfte auch für die zukünftige verkehrspolitische Arbeit in Krefeld interessant sein.

Bündnis90/Die Grünen fordern die generelle Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht, stärkere Kontrollen von Falschparkern auf Radwegen, die Öffnung von allen Einbahnstraßen und die offensive Markierung von Angebots- und Radstreifen im Straßenraum. Die gesparten Kosten für die Radwegsanierung durch Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht sollen offensiv für die Ausweisung von Fahrradstraßen, den Erhalt von nötigen Radwegen und die Ausweitung selbständiger Radwege eingesetzt werden. Skandalös sei, dass die Benutzungspflicht auf dem Radweg an der Kölner Straße noch nicht aufgehoben sei. Das Serviceangebot der Radstation soll mit neuen Kooperationspartnern gesichert und weiter ausgebaut werden. Bei den schwierigen Verhandlungen zwischen Stadtverwaltung und DB über Abstellanlagen an Bahnhöfen fordern die Grünen mehr Transparenz. Bei der Umsetzung von Großprojekten sollen laut Bündnis90/Die Grünen angesichts des gebotenen Sparzwangs pragmatische Lösungen gesucht und Fördertöpfe von Land, Bund und EU intensiver genutzt werden. Priorität habe dabei die Radpromenade und das Umweltprojekt „Rund-um-Krefeld”. Die erfolgreichen Bemühungen, mit der Aktionen “Stadtradeln” mehr Bürger zum Fahrradfahren zu animieren, sollen fortgesetzt und im Dialog mit der Kampagne “Mit dem Rad zur Arbeit” weiter vorangetrieben werden. Die beste Werbung für eine fahrradfreundliche Stadt seien Grün-Vorteil an Ampeln für Radelnde und mehr aufgeweitete Aufstellflächen an Kreuzungen. Schließlich wollen sich Bündnis90/Die Grünen für eine Messung des tatsächlichen Radverkehrsanteils (Modal-Split) im Stadtverkehr stark machen.

Die CDU spricht sich für die Erhaltung des Radwegenetzes aus und eine “intelligente Verkehrsführung …, die Radfahrer und Fußgänger vor vermeidbaren Gefahren schützt”. Abgelehnt werden Bestrebungen, die mit Einschränkungen für den Pkw-Verkehr verbunden sind. Nach Auffassung der Union weisen die blauen Radwegschilder nicht auf eine Benutzungspflicht hin, sondern sind “…nur als Hinweis darauf zu sehen, dass ein Radweg zur Verfügung steht”. Für eine systematische Überprüfung der Benutzungspflicht sieht man deshalb keine Veranlassung, wohl aber für die Sanierung des Radwegebestands anhand der ADFC-Prioritätenliste. Eine Umschichtung von Haushaltsmitteln zugunsten der Radwegsanierung wird von der CDU nicht befürwortet. Vor dem Hintergrund des Nothaushalts wurde die Kündigung des Betreibervertrags mit der Radstation zunächst als unvermeidbar angesehen. Inzwischen setzt sich aber auch die CDU für den Erhalt der Einrichtung ein – unter der Voraussetzung einer “bedarfsdeckenden Eigenfinanzierung”. Die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Kommunen und der Deutschen Bahn bei der Einrichtung von Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen sieht die CDU eher als bundespolitische Aufgabe. Für Radverkehrs-Großprojekte wie die Bahnpromenade und Radschnellwege sieht man aufgrund der Haushaltssituation über mehrere Ratsperioden keine verfügbaren Eigenmittel. CDU-Mitglieder beteiligen sich aktiv an Radfahraktionen wie “Stadtradeln”. Befürwortet wird die Aufstellung von Hinweisschildern “Fahrradfreundliche Stadt” an Hauptverkehrsstraßen.

Nach Auffassung der FDP bieten Radwege Sicherheit und sollten nur aufgehoben werden, wo dies “nach Einschätzung der Verkehrskommission aus Stadtverwaltung und Polizei” vertretbar ist. Die Freien Demokraten sind dafür, dass “im städtischen Haushalt genügend Mittel zur Verfügung gestellt werden, um das städtische Anlagevermögen, zu dem auch die Radwege gehören, zu erhalten”. Eine gezielte Umschichtung von Haushaltsmitteln vom allgemeinen Straßenbau für die Radwegesanierung komme aber nicht in Betracht. Eine langfristige Sicherung der Radstation am Hauptbahnhof sieht die FDP in einer ehrenamtlichen oder einer privatwirtschaftlichen Trägerschaft, damit der städtische Zuschuss nicht in jeder Haushaltsberatung wieder auf den Prüfstand gestellt wird. Bei Abstimmungsproblemen zwischen Stadtverwaltung und DB bietet die FDP ihre Unterstützung an. Die Sanierung von Radwegen soll Vorrang vor Neubauprojekten haben, aber wenn nennenswerte Fördermittel für Radverkehrs-Großprojekte gewonnen werden könnten, sei auch die Bereitstellung der erforderlichen Eigenmittel vertretbar. Nachholbedarf sieht die FDP bei der Ausweisung von Fahrradtrassen.

Die Piratenpartei will zur Steigerung des Fahrradanteils den Aufbau eines Fahrradverleihsystems auch mit Elektrofahrrädern und Spezialfahrrädern wie Lasträdern vorantreiben und sich für ausreichende Fahrradmitnahmemöglichkeiten im Nah- und Fernverkehr und sichere Fahrradabstellplätze an den Bahnhöfen einsetzen. Man ist für die Umsetzung des BVG-Urteils, das die Abschaffung der Benutzungspflicht überall da vorsieht, wo das Radfahren auf der Fahrbahn ohne besondere Gefahr möglich ist. Die Beurteilung im Einzelfall sei aber Sache der Verwaltung. Bei der Information der Verkehrsteilnehmer über die Rechtslage, dass beispielsweise nicht jeder baulich vorhandene Radweg auch benutzt werden muss, wollen die Piraten Aufklärungsarbeit leisten.

Weiterhin fordert die Piratenpartei, dass ein fester Prozentsatz der Ausgaben für den Straßenbau automatisch für die Radverkehrsmaßnahmen reserviert wird. Die Bezuschussung der Radstation seitens der Stadt Krefeld wird unter sozialen und umweltpolitischen Aspekten befürwortet. Der Spielraum für Radverkehrs-Großprojekte wird in der kommenden Legislaturperiode eher als gering angesehen. Bundesweite Aktionen „Mit dem Rad zur Arbeit“ und “Stadtradeln” will man unterstützen. Die auf die Aufstellung von weitere Schildern “Fahrradfreundliche Stadt” würde angesichts der aktuellen Situation von Fahrradfahrern “als Hohn empfunden”. Vielmehr soll das Geld in reale Verbesserungen fließen. Generell habe die Sanierung des vorhandenen Radverkehrsnetzes Vorrang vor dem weiteren Ausbau.

Die SPD will sich für gut erkennbare und zu befahrende Radwege einsetzen und für die Stärkung des Bewusstseins, dass nicht die PS sondern eine positive CO2-Bilanz „cool“ sei. Benutzungspflichtige Radwege sollen – wo möglich – aufgehoben und für die Erhaltung der unbedingt notwendigen Radwege sollen die Mittel aufgestockt werden. Die Sozialdemokraten schlagen dazu einen mit 7,5 Mio. Euro ausgestatteten Pakt für Bildung und Substanzerhalt vor, der ca. 500.000 Euro für den Erhalt von Radwegen beinhaltet. Den Erhalt der Radstation will die SPD mit einem langfristigen städtischen Vertrag sichern. Finanziert werden soll dies durch eine moderate Erhöhung der Gewerbesteuer. Abstimmungsprobleme bei Verhandlung mit der Deutschen Bahn über Baumaßnahmen an Bahnhöfen seien bekannt und stünden auf der “to-do-Liste” bei den Gesprächen mit Vertretern der DB.

Die Anbindung Krefelds an das Radschnellwege-Netz in NRW will die SPD weiter thematisieren und die Radpromenade zwischen Uerdingen und Forstwald als ein Leuchtturmprojekt vorantreiben. Bei der Aktion “Stadtradeln” wollen SPD-Mitglieder wieder mit dem Team „Rote Strampler” einen positiven Beitrag zur CO2-Bilanz leisten und für die Fahrradnutzung werben. Die Fahrradfreundlichkeit in Krefeld sieht die SPD kritisch. Man müsse sich das Prädikat wieder “mühsam zurückerarbeiten”. Dazu sei mehr nötig als die Aufstellung von Schildern “Fahrradfreundliche Stadt”. Eine Zukunftsperspektive wäre neben der Instandsetzung vorhandenen Radwege auch der Bau von Radschnellwegen – insbesondere im Hinblick auf die vermehrte Nutzung von Elektrofahrrädern.

ADFC-Forderungen:

1. Es gilt einerseits, Hindernisse für den Fahrradverkehr abzubauen und zugleich ein positives Verkehrsklima zu schaffen, in dem sich Radfahrende ernst genommen fühlen. Auch wenn die Unfallzahlen durch intensive Verkehrssicherheitsarbeit etwas gesunken sind, hält die gefühlte Unsicherheit weiterhin viele Menschen aller Altersklassen von einer intensiveren Fahrradnutzung ab. Arbeitsstätten, Schulen und Einrichtungen des täglichen Bedarfs müssen konfliktfrei und ohne große Umwege erreichbar sein, damit noch mehr Menschen aufs Fahrrad umsteigen. Selbst wer heute noch mit dem Auto zur Arbeit oder zum Einkaufen fährt, möchte auch die Option haben, schnell und sicher mit dem Fahrrad dorthin zu kommen.

2. Die Anordnung der Benutzungspflicht muss im gesamten Stadtgebiet systematisch überprüft und auf das tatsächlich notwendige Maß zurückgenommen werden. Mit einer begleitenden Bürgerinformation können Informationsdefizite über die immer noch wenig bekannte Rechtslage beseitigt werden.

3. Wenn in Krefeld heute schon über 20 % der innerstädtischen Wege per Rad zurückgelegt werden, rechtfertigt dies eine Aufstockung der entsprechenden Haushaltsmittel für Radverkehrsanlagen allemal. Die ADFC-Prioritätenliste kann einen systematischen städtischen Mängelkataster nicht ersetzen. Die Entscheidungen zwischen Aufhebung und Sanierung von Radwegen müssen differenziert und schnell getroffen werden. Sonst ist das Attribut „fahrradfreundlich“ nicht mehr aufrecht zu erhalten.

4. Die Radstation ist sowohl ein wichtiges Bindeglied zwischen Nahmobilität und ÖPNV als auch eine Beschäftigungs- und Eingliederungseinrichtung. Für den Erhalt der Radstation sind eine offene Kommunikation, die Einbeziehung aller denkbaren Partner und Unterstützer sowie die Ausschöpfung aller in Frage kommenden Fördermöglichkeiten unerlässlich.

5. Auch wenn die Strukturen der DB Verhandlungen nicht gerade einfach machen, ist es vielen Nachbarstädten gelungen, bedarfsgerechte Abstellanlagen an Bahnhöfen zu realisieren. Auch hier gilt es in Krefeld, bei entsprechenden Verhandlungen alle Kompetenzen – z.B. der AGFS, aber auch aus der Tourismusförderung – zu bündeln, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

6. Auch wenn die Unterhaltung und Modernisierung des bestehenden Radverkehrsnetzes Vorrang hat, dürfen zukunftsweisende Projekte nicht aus den Augen verloren werden. Mit der Aufnahme der Flächen für die Promenade in den Flächennutzungsplan wurde ein Schritt in die richtige Richtung getan. Nun müssen Szenarien entwickelt werden, um die Realisierung unter Ausnutzung heutiger und zukünftiger Fördermöglichkeiten voranzutreiben. Bis zur Realisierung ist die Planung soweit offen zu halten, dass Anbindungen an entstehende Projekte der Nachbarstädte möglich bleiben.

7. Eine umweltbewusste und intelligente Verkehrsmittelwahl von Verwaltungsspitze und Ratsmitgliedern kann das Verkehrsklima positiv beeinflussen und Bürgerinnen und Bürgern motivieren, öfter das Fahrrad zu nutzen – selbst angesichts von Mängeln in der Infrastruktur.

8. Auf die Aufstellung der Schilder “Fahrradfreundliche Stadt Krefeld” an Schnellstraßen ohne entsprechende Radverkehrsanlagen sollte verzichtet werden.

9. Wünschenswert sind die Schließungen von Lücken im Radverkehrsnetz an den Stadtgrenzen (Willicher Str. in Fischeln, Anrather Str. in Forstwald, Moerser Landstr. / Bahnhofstraße in Traar / Vennikel, Venloer Str. in Hüls).

Dieser Beitrag wurde unter Ausgabe 2 / 2014, Krefeld / Kreis Viersen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

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