Ein Fahrrad mit Wasserstoff-Antrieb!

Holger Hanisch und sein weißes Wasserstoff-Rad

Holger Hanisch und sein weißes Wasserstoff-Rad

Ein Neusser Unternehmensberater zeigt der Autoindustrie, wie ein emissionsfreies Verkehrsmittel mit Brennstoffzelle funktioniert.

Das Fahrrad ist in den vergangenen Jahren zum Vorreiter moderner Mobilität geworden: Während die deutsche Automobilindustrie bis zum Jahr 2020 die erste Million Elektrofahrzeuge an den Start bringen will, fahren heute schon hunderttausende Pedelecs zwischen Flensburg und München. Und während es um die vor einigen Jahrzehnten mit viel Tamtam gestartete Entwicklung von wasserstoffgetriebenen Autos doch sehr still geworden ist, zeigt hier der Neusser Anwalt und Unternehmensberater Dr. Holger Hanisch (46), wie man’s macht: Er hat ein Rad mit Wasserstoff-Antrieb innerhalb weniger Jahre entwickelt.

Zeigt der Neusser sein Rad in der Öffentlichkeit, so bildet sich sofort eine Menschentraube, die ihn mit Fragen überhäuft. Kein Wunder, denn das „Gernweit“-Versuchsrad könnte auch aus dem Labor vom ebenso verrückten wie genialen Professor Doc Brown aus dem Film „Zurück in die Zukunft“ stammen. Neben unzähligen Schläuchen und Kabeln prägen die silberfarbene Brennstoffzelle im Rahmendreieck und die beiden schwarzen Wasserstoff-Tanks auf dem Gepäckträger den Gesamteindruck. Ein echter Hingucker, der sein Inneres zur Schau stellt.

Hanisch ist kein Tausendsassa oder Daniel Düsentrieb. Dafür versteht er es, der viele Jahre in China arbeitete und lebte, die richtigen Leute zusammenzubringen. So gehören zu seinem Entwicklerteam die Experten des Wasserstoff-Labors der Hochschule Rhein-Main in Rüsselsheim und ein freier Ingenieur, der sich um die Elektronik kümmert. Zudem unterstützt das NRW-Wirtschaftsministerium das Projekt finanziell und das Land Hessen ideell.

Seit 2009 läuft die Entwicklung in Europa, in die der Neusser, der für die SPD im Stadtrat sitzt, bereits eine Menge Geld investiert hat. Er sieht’s gelassen: „Ich fahre keine teuren Autos und habe auch sonst keine kostspieligen Hobbys. Das Geld das ich übrig habe, stecke ich in das Projekt.“ Kein Zweifel, Hanisch ist ein Idealist, der – wie er sagt – „etwas ökologisch Sinnvolles machen will“. Sein ganz persönliches Saulus-Paulus-Erlebnis hatte er in China, als er für einen deutschen Maschinenbauer übers Land fuhr und die riesigen Kohleminen besuchte: „Mir wurde klar, dass die massive Nutzung fossiler Brennstoffe zur ökologischen Katastrophe führt.“

Die Idee, beim motorisierten Verkehr Benzin und Diesel zu ersetzen, war geboren. Und im Reich der Mitte mit den – damals noch – „Nine million bicycles“ in Peking vor Augen lag es nahe, das Fahrrad als Versuchsträger zu nutzen.

Schon damals erkannte Hanisch die Vorteile des Fahrrads: Zum einen dürfte es bei der Zulassung als Verkehrsmittel weniger Stress mit den Behörden geben. Wichtiger waren aber die „naturbedingten“ Vorzüge des Zweirads: Es bewegt mit seinen rund 20 Kilo Fahrzeuggewicht durchaus 100 Kilo Mensch. Beim Automobil ist es umgekehrt: Hier bewegen ein bis drei Tonnen Metall häufig nur den Fahrer.

Leicht zu tauschen wie beim Wassersprudler: Die H2-Kartuschen

Leicht zu tauschen wie beim Wassersprudler: Die H2-Kartuschen

Aber wie so oft, steckt der Teufel im Detail. Eine wichtige Frage war, wie lässt sich Wasserstoff für eine Reichweite von über 100 Kilometern sicher auf einem Fahrrad speichern? Die Antwort: In zwei kleinen Druckzylindern zu je 25 Gramm bei 300 bar Druck! Hanisch: „Das ist erprobte Technik und absolut sicher. Unser Vorteil ist die extrem geringe Menge, die wir benötigen.“ Gegenüber den heute üblichen schweren Pedelec-Akkus haben die kleinen ein Kilogramm schweren Wasserstoff-Flaschen ein paar entscheidende Vorteile: Der Akku ist nach 500-600 Ladezyklen nicht mehr zu gebrauchen und hat nur eine begrenzte Kapazität. Und während der Akku zum Laden Stunden braucht, lassen sich die kleinen Flaschen innerhalb von wenigen Minuten betanken. Hanisch bereitet ein Mehrweg-System vor wie es auch bei den Druckflaschen für Heim-Sprudelgeräte üblich ist. Über eine Umsetzung des Konzepts redete er bereits mit den Betreibern von großen Elektrolyse-Anlagen, die Wasserstoff mithilfe von Sonne und Wind herstellen.

re_h2rad_4_P1020557_960Im Frühjahr 2015 soll der marktreife Prototyp fertig sein: ein Hollandrad, bei dem ein Teil der Technik im „Körbchen“ am Lenker untergebracht sein wird. Derzeit wartet Hanisch noch auf die Zertifizierung der Druckbehälter und Ventile, die ein EU-Prüfzeichen brauchen. Bei allem Idealismus ist der Unternehmensberater jedoch auch Realist. Die 8000 Euro für die Fertigung eines Rades auf Bestellung werden nur Firmen wie Windparkbetreiber oder Stadtwerke bereit sein zu zahlen. Für die wäre das „Gernweit“-Wasserstoff-Rad ein perfekter Werbeträger. Der Durchbruch aber wäre die Produktion als Großserie: „Dann könnten wir unser Rad sogar günstiger anbieten als heutige hochpreisige Akku-Pedelecs.“ Und das Fahrrad hätte wieder einmal gezeigt, dass es – ökologisch korrekt – an der Spitze der technischen Mobilitätsentwicklung steht.

Dieser Beitrag wurde unter Ausgabe 3 / 2014, Technik veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten auf Ein Fahrrad mit Wasserstoff-Antrieb!

  1. Avatar Dietmar Schwerdtfeger sagt:

    Hallo Hr.Hanisch,
    gerne würde ich mir Ihr Rad mal ansehen.
    Wir kommen aus Nettetal und fahren ca.10.000km im Jahr
    und sind auch Bereit um die 4000-5000€ für das Richtige Rad auszugeben.

    Zurzeit bringen wir unser Geld nach den Fahrradhersteller Riese & Müller

    MFG.

    Kurbel-junky
    Didi

  2. Pingback: Linde baut Wasserstoff-Pedelec - Velophil

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert