Editorial zur Herbstausgabe 2014
Reden wir über Zukunftsperspektiven. Die Vorstellung eines Pedelecs mit Wasserstoffantrieb hat etwas von „David gegen Goliath“: Der Neusser Unternehmensberater und Anwalt Dr. Holger Hanisch hat mit einer Handvoll Techniker und Ingenieuren einen praxistauglichen Prototyp auf die Beine (das heipt auf die Räder) gestellt, der mit zwei kleinen Gasflaschen 100 km weit fahren und in Minutenschnelle wieder aufgetankt werden kann, während die Goliaths der Automobilindustrie es schon seit mehr als 20 Jahren nicht schaffen, die umweltfreudliche Brennstoffzellentechnik auf die Straße zu bringen. Mehr dazu auf Seite 14. Wenn es AGFS-Vorstand Christine Fuchs (Seite 6) gelingt, die „fahrradfreundlichen“ Städte zur zügigen Modernisierung ihrer Fahrrad-Infrastruktur zu motivieren, fährt Fernpendler Christian Eckert (Seite 10) in einigen Jahren vielleicht mit dem Wasserstoff-Pedelec auf dem Radschnellweg Krefeld-Duisburg CO2-neutral zur Arbeit und im ADFC-Fahrradklima-Test*(Seite 8) gibt es nur Bestnoten.
Andreas Domanski
Doch wenn zum Jahresanfang die Ergebnisse vorliegen, dürften unsere Kommunen von Bestnoten immer noch weit entfernt sein. Ein Hauptgrund für die Unzufriedenheit vieler Radfahrer mit ihrer Stadt ist die Überlastung durch den ruhendem Verkehr. Wenn enge Einbahnstraßen in der City für Radfahrer in Gegenrichtung geschlossen bleiben, weil sie beidseitig beparkt sind und einfach kein Platz für Begegnungsverkehr bleibt, verleidet das Besuchern wie Anwohnern den Spaß am Radfahren. Auch Fußgänger leiden, weil sie zwischen den lückenlosen Blechreihen keinen sicheren Weg mehr auf die andere Straßenseite finden. Sagen wir es offen: Wer die innerstädtische Aufenthaltsqualität verbessern will, muss die Zahl der Parkplätze im öffentlichen Raum reduzieren. Kaum jemand in Politik und Verwaltung traut sich da ran: vermintes Gelände, man fürchtet Bürgerproteste. Dabei gibt es Lösungen, die auch für Autofahrer interessant sind. Bikesharing-Stationen mit komfortablen Pedelecs zum günstigen ÖPNV-Tarif können Einpendler am Anfang oder Ende ihrer Fahrt zum Umsteigen auf das (E-)Fahrrad motivieren. Warum nicht das Auto am Rand der City stehen lassen und die letzte Meile am Stau vorbei mit dem Rad zur Arbeit fahren? Oder die erste Meile vom Dorf draußen vor der Stadt mit dem Pedelec zur Schnellbus-Endhaltestelle fahren? Unser Bericht zum E-Bike-Award stellt einige solche Konzepte vor. Auf Fachkonferenzen für Verkehrsplaner wie dem Radverkehrskongress in Essen, der DECOMM (zuletzt in Köln) oder der Kommunalkonferenz der Deutschen Fahrradakademie (zuletzt in Düsseldorf) sind solche multimodalen Verkehrskonzepte zurzeit die großen Gesprächsthemen. Doch leider besuchen städtische Mitarbeiter solche Veranstaltungen nur selten. Die Personaldecke unserer verschlankten Verwaltungen ist dünn, da bleibt keine Zeit für Konferenzen. Ist das wirklich so, oder fehlt es manchmal nur am Willen?
Heribert Adamsky