Vorwort

Editorial zur Frühjahrsausgabe 2015

Wir Deutschen besitzen 52 Millionen Autos und 72 Millionen Fahrräder. Werden viele Autos gleichzeitig bewegt, gibt es Stau, Frust und Ärger. Man kennt das von der morgendlichen Rush Hour und vom Ferienbeginn. Steigen aber viele Menschen gleichzeitig aufs Fahrrad – ob zur Sternfahrt oder zur Critical Mass, zur NRWRadtour
oder zum Radwandertag, dann gibt es einen Riesenspaß. Die Menschen genießen das gemeinsame Radfahren, und ihre Freude daran bleibt auch nach der Fahrt erhalten. Radfahren ist nachhaltig, es schont unsere wertvollsten Ressourcen: Gesundheit, Luft, Rohstoffe, Platz – und den Geldbeutel. Im vergangenen Herbst rief der ADFC zusammen mit dem Bundesverkehrsministerium wieder zum FahrradklimaTest auf, und die
Teilnehmerzahlen erreichten neue Rekordhöhen, denn das Thema Radfahren wird den Menschen von Jahr zu Jahr wichtiger. Die Kommunen merken das, sie beginnen sich zu bewegen und suchen, wie jüngst in Neuss beschlossen, den Anschluss an die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Städte (AGFS), um den Radverkehr im Alltag zu fördern. Oder sie fördern den Fahrradtourismus, wie es der Kreis Viersen macht, der in Rekordzeit ein Knotenpunktsystem aufzog. Doch nicht nur das Radfahren als Bewegungsform ist nachhaltig, sondern auch das Fahrrad als Produkt, das lange lebt und das man noch selbst reparieren kann. Kluge Pädagogen bringen das unserem Nachwuchs in Fahrradwerkstätten an unseren Schulen bei. Aber auch wir Erwachsenen entdecken die
Freude am Schrauben neu und fangen wieder an, Produkte zu reparieren statt sie beim
ersten Defekt wegzuwerfen und neu zu kaufen.

Heribert Adamsky

Ist ein altes Fahrrad nicht mehr gut in Schuss, erscheint die Reparatur durch eine professionelle Werkstatt manchmal unwirtschaftlich. Ein Neues kaufen? Aber so ganz kaputt ist es ja auch nicht. Also doch selber Hand anlegen? Auch manche Besitzer neuer
und hochwertiger Fahrräder wollen nicht gleich wegen jeder Kleinigkeit in die Fachwerkstatt fahren. Ohne handwerkliche Unterstützung und passendes Werkzeug reicht aber der gute Wille oft nicht. In den 80er Jahren gab es dafür so sinnvolle Einrichtungen wie Selbsthilfewerkstätten. Von Bürgerinitiativen, kirchlichen Organisationen oder privaten Schrauberfreunden ins Leben gerufen und von Ehrenamtlichen unterhalten, sind die meisten jedoch Ende der 90er Jahre mangels Nachfrage wieder verschwunden. Zu groß war der Druck durch billige Neuware
und doityourself  war einfach „out“. Das ändert sich gerade wieder und es entstehen ReparaturCafés, in den wieder geschraubt, gelötet und auch mal improvisiert wird. Zum einen aus Opposition gegen die Industrie, die „moderne“ Produkte so konstruiert, dass eine Reparatur erschwert oder sogar unmöglich gemacht wird. Zum anderen, weil immer mehr Menschen bei einfachen Reparaturen einen Einblick in die Funktionsweise gewinnen möchten. Wenn dabei auch Geld gespart wird, ist das angenehm, steht aber gar nicht so im Vordergrund. ReparaturCafés für Fahrräder von sehr unterschiedlichen Trägern gibt es unter anderem in Krefeld (S. 29), in Mönchengladbach (S. 42) und in Korschenbroich (S. 47).

Andreas Domanski

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