Benutzungspflichten und -rechte: Quo vadis Radweg?

Volle Kanne ins Nirwama_ Radweg. Radfahrstreifen, Fahrbahn. Parkplätze satt, aber kein sicheres Einfädeln für den Radverkehr.

Volle Kanne ins Nirwama_ Radweg. Radfahrstreifen, Fahrbahn. Parkplätze satt, aber kein sicheres Einfädeln für den Radverkehr.

Radweg, Radfahrstreifen oder Schutzstreifen, nur langsam kommen die veränderten Bedingungen und Regeln bei den Verkehrsteilnehmern an. In vielen Kommunen hakt es bei der Umsetzung und die ERA 2010 ist zu oft noch Fremdwort.

Seit der Fahrradnovelle von 1997 und der Neufassung der Straßenverkehrsordnung (StVO) von 2009 ist klar, dass Fahrradfahrer auf der Straße fahren dürfen, wenn es nicht ausdrücklich anders geregelt ist. Nur wenn ein baulich angelegter Radweg benutzungspflichtig (siehe Kasten unten) ist, dürfen Fahrradfahrer nicht auf der Straße fahren.

Seitdem fahren manche Fahrradfahrer bevorzugt auf der Straße, andere lieber weiterhin auf Radwegen, auch wenn es nicht vorgeschrieben ist. Zwei wesentliche Beweggründe spielen eine Rolle.

  • Zum einen das individuelle Sicherheitsgefühl, das mal „Sicherer fahre ich auf der Straße“, mal „Sicherer fahre ich auf dem Radweg“ flüstert.
  • Zum anderen der persönliche Anspruch „mein Fahrrad ist ein Fahrzeug, also darf ich auf der Straße fahren“.

Wahlrecht und Pflicht

In der alltäglichen Praxis fährt die überwiegende Mehrheit der Fahrradfahrer immer noch bevorzugt auf dem Radweg, wenn es einen gibt. Dabei spielt kaum eine Rolle, ob der Radweg benutzungspflichtig ist oder nicht.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat dies in ihrer umfangreichen Studie von 2009 festgestellt: „Insgesamt nutzen sehr wenig Radfahrer die Wahlmöglichkeit, die sie bei aufgehobener Benutzungspflicht zwischen Radweg und Fahrbahn haben.“

Warum ist das so? Viele Fahrradfahrer fühlen sich anscheinend auf der Straße nicht so sicher wie auf einem Radweg. Laut BASt-Studie fahren auf Straßen mit nicht benutzungspflichtigen Radwegen gerade mal 4% der Fahrradfahrer auf der Fahrbahn. Nur die Aufhebung der Benutzungspflicht ändert also am Verhalten der Fahrradfahrer
generell wenig. In Kreuzungsbereichen kann diese
Aufhebung die Gefahr von Unfällen sogar erhöhen,
weil abbiegende Autofahrer mit Radfahrern auf Straße
und Radweg überfordert sind.

Auch darum fordert der „Forschungsbericht Nr. 21“ der renommierten Unfallforscher der Versicherungen: „Radwege sind auch bei fehlender Benutzungspfl icht verkehrssicher
zu gestalten und instand zu halten, gegebenenfalls müssen sie aus- oder rückgebaut werden. Furten sind auch bei fehlender Benutzungspflicht zu markieren.“

Empfehlungen zur Sicherheit

Und die BASt-Studie von 2009 ergänzt: „Die Beachtung der technischen  Entwurfsempfehlungen hat maßgeblichen Einfl uss auf eine niedrige Unfallbelastung.“ Soll heißen: Wenn die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen von 2010“ (ERA) eingehalten werden, ist die Unfallgefahr am geringsten und weiter ermittelte die
BASt-Studie: „Die Unfallhäufi gkeit von Radfahrern auf allen untersuchten Radverkehrsanlagen war weitestgehend unabhängig vom Anlagentyp, es spielte keine Rolle, ob der Radweg benutzungspflichtig war oder ob es sich lediglich um einen Schutzstreifen handelte.“

Neue Regeln, neues Unwissen

Die unzähligen Änderungen an Anlagen und Bestimmungen wurden kaum öffentlich kommuniziert. Zu viele Autofahrer und auch Fahrradfahrer wissen gar nicht, wie sie mit den neuen Wegen und Regeln umgehen sollen. Der Umbruch erfolgt in vielen Kommunen
mehr als „holperig“.

Es mag angehen, dass bauliche Radwege aus Kostengründen reduziert werden.
Völlig inakzeptabel ist aber die zu oft liederliche Einrichtung der schnell
„aufgemalten“ Radfahr- und Schutzstreifen. Regelwidrige Breiten von
100 cm oder schmäler sind nicht selten, die erwünschte Durchgängigkeit der Führung ist häufig mangelhaft und an manchen Kreuzungen enden Radfahrund
Schutzstreifen im Nirwana, statt in korrekt markierte Flächen für Geradeausfahrer, Rechts- und Linksabbieger zu verzweigen (Foto Seite 9).

Sperren und andere Ärgernisse

Immer noch bremsen Drängelgitter (Amtsdeutsch: Umlaufsperren), Bettelampeln (Bedarfs/Anforderungsampeln) und Radwegführungen im Zickzackkurs Fahrradfahrer unnötig und ärgerlich aus, obwohl „Radfahren nicht durch unnötige Widerstände erschwert werden darf“, so die Broschüre der Landesregierung „FahrRad
in NRW“.

Die Beschilderung und Radverkehrsführung an Baustellen ist amtlich bestens geregelt, findet aber je nach Verwaltungshoheit kaum statt. Umleitungsempfehlungen? Fehlanzeige!

Und die rote Farbe zur Fahrbahnmarkierung ist nicht billig, wohl darum werden auf Verkehrsknotenpunkten nur die Schutzstreifen in Hauptverkehrsrichtung rot markiert. Also zwei Schutzstreifen mit roter Bodenmarkierung, zwei ohne, welcher Autofahrer soll da auf der Kreuzung noch durchblicken? Ist nur die Sicherheit der Fahrradfahrer wichtig, die in Hauptrichtung unterwegs sind?

Leiser aber schneller

Eng und vielbefahren: Komplett saniert in 2014, Parkplätze, Flüsterasphalt, kein Weg für Fahrradfahrer, aber Tempo 50.

Eng und vielbefahren: Komplett saniert in 2014, Parkplätze, Flüsterasphalt, kein Weg für Fahrradfahrer, aber Tempo 50.

Enge innerörtliche Straßen mit viel Autoverkehr wurden und werden gemäß EU-Lärmaktionsplan mit lärmoptimiertem Asphalt saniert, mancherorts wurde bei der aufwendigen und geförderten Sanierung auf Radverkehrsspuren völlig verzichtet, und auch keine Geschwindigkeitsbegrenzungen (siehe Bild) vorgesehen.
Das ist für Radfahrer gefährlich und nicht zu akzeptieren.

So wichtig Lärmschutz für die Menschen ist, so hat eben dieser Flüsterasphalt aber auch
einen Nachteil, denn Autofahrer fahren selten nach Tacho. Ist es holprig und im Fahrzeug
laut, fährt der Fahrer langsamer, weil es sich schneller anfühlt, während sich auf dem neuem „guten und leisen“ Straßenbelag die eigene Geschwindigkeit geringer anfühlt und man letztlich schneller fährt. Tempo 30 wäre die bessere und preiswertere Alternative.

Standards und Aufklärung

Die ERA 2010 werden bei der Planung und Realisierung von Radverkehrsanlagen vielerorts noch nicht beachtet oder sehr frei und eigentümlich interpretiert. Die relevanten Untersuchungen zur Sicherheit des Radverkehrs müssen aber die Maxime für die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung sein. Die Sicherheit der Menschen im Straßenverkehr darf nicht an knappen Kassen scheitern.

Außerdem brauchen wir dringend eine Informationsoffensive, die Rad- und Autofahrer mit den aktuellen Regeln und Bedingungen vertrauter macht. Der ADFC NRW hat mit seiner Aufklärungsbroschüre „Hätten Sie‘s gewusst? Zehn Rechtsfragen zum Radfahren“ seinen Teil dazu bereits beigetragen. Aber auch die Kommunen sind dazu im Rahmen ihrer Möglichkeiten gefordert.

Hier gilt für Fahrradfahrer die Benutzungspflicht, egal ob linke oder rechte Seite

Radfahrstreifen. Andere Fahrzeuge dürfen die Linie nicht überfahren. Hier gilt absolutes Halteverbot. Foto: Stadt Ratingen.

Radfahrstreifen. Andere Fahrzeuge dürfen die Linie nicht überfahren. Hier gilt absolutes Halteverbot. Foto: Stadt Ratingen.

Zeichen 241: Getrennter Fuß- und Radweg

Zeichen 241: Getrennter Fuß- und Radweg

Zeichen 240: Gemeinsamer Fuß- und Radweg, hier auf einem Zweirichtungsradweg. Fahrradfahrer müssen hier Rücksicht auf Fußgänger nehmen.

Zeichen 240: Gemeinsamer Fuß- und Radweg, hier auf einem Zweirichtungsradweg. Fahrradfahrer müssen hier Rücksicht auf Fußgänger nehmen.

Auch hier gilt für Fahrradfahrer die Benutzungspflicht:

Radfahrstreifen. Andere Fahrzeuge dürfen die Linie nicht überfahren. Hier gilt absolutes Halteverbot. Foto: Stadt Ratingen.

Radfahrstreifen. Andere Fahrzeuge dürfen die Linie nicht überfahren. Hier gilt absolutes Halteverbot. Foto: Stadt Ratingen.

Schutzstreifen. Die Benutzungspflicht ergibt sich durch das Rechtsfahrgebot. Hier gilt ein Parkverbot, aber kein generelles Halteverbot.

Schutzstreifen. Die Benutzungspflicht ergibt sich durch das Rechtsfahrgebot. Hier gilt ein Parkverbot, aber kein generelles Halteverbot.

Hier haben Fahrradfahrer ein Benutzungsrecht:

Sonstiger Radweg mit Bodenpiktogramm und roter Flächenmarkierung

Sonstiger Radweg mit Bodenpiktogramm und roter Flächenmarkierung

Sonstiger Radweg ohne Kennzeichnung

Sonstiger Radweg ohne Kennzeichnung

Zeichen 239 mit Zusatzschild „Radfahrer frei“Hier dürfen Fahrradfahrer fahren, müssen aber Schrittgeschwindigkeit einhalten und absolute Rücksicht auf Fußgänger nehmen.

Zeichen 239 mit Zusatzschild „Radfahrer frei“Hier dürfen Fahrradfahrer fahren, müssen aber Schrittgeschwindigkeit einhalten und absolute Rücksicht auf Fußgänger nehmen.

Quellennachweis: Dokumente, wie BASt-Studie, Unfallforscher-
Studie und Broschüre „FahrRad in NRW“ zum Download: http://knotennetz.de/ran2015-2. ERA 2010: http://www.fgsv-verlag.de
Broschüre „Hätten Sie‘s gewusst?: Auf ADFC-Infoständen, in ADFC-Geschäftsstellen oder auf www.adfc-nrw.de zum Download.  Fotos, soweit nicht anders
gekennzeichnet: www.iDFotowerkstatt.de

 

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