Alles frisch per Lastenrad

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Frisches Gemüse und heiße Pizza kommen per „Radkutsche“ oder „Bakfiets“ (Foto: Gerd Dreßen)

Verstopfte Innenstädte + steigendes Umweltbewusstsein + wachsender Transportbedarf =  Lastenrad. So einfach ist die Formel, die auch bei uns die pedalbetriebenen Packesel im XXL-Format immer beliebter werden lässt. Wir stellen Ihnen zwei clevere rheinische Transportlösungen vor.

Irgendwie ist es eigenartig, dass sich das Lastenrad am Niederrhein erst jetzt steigender Beliebtheit erfreut. Denn unsere holländischen Nachbarn lieben ihr „Bakfi ets“ – also das gaaaanz lange Fahrrad mit der grooooßen Kiste vorne drauf – seit Generationen. Selbst die königliche Familie nutzt es, um ihren Nachwuchs darin spazieren zu fahren. Jeder bekommt das, was er verdient: Die einen hatten den demokratisch gewählten Auto-Kanzler, die anderen eine fahrradfreundliche Dynastie.

Radkurier nur in der Großstadt? Von wegen!

Kurierfahrt, oftmals just-in-Time (Foto: Andreas Scheeren)

Kurierfahrt, oftmals just-in-Time
(Foto: Andreas Scheeren)

Echte Pioniere beim professionellen Transport von Gütern per Fahrrad sind Christiane und Thomas Wiemers aus Kleinenbroich. Ihr Berufsleben auf dem Rad starteten beide Mitte der Neunzigerjahre als Fahrradkuriere in Düsseldorf – und lernten sich dabei kennen und lieben. Transportierten sie damals in erster Linie per Rennrad eilige Post, so gibt es heute kaum etwas, das sie nicht auf ihren Lastenrädern von A nach B bringen. Thomas Wiemers arbeitet nach wie vor als Radkurier-Disponent in der Landeshauptstadt. Zudem leitet er das „Radkutsche“-Projekt des in der Region bekannten Biobauernhofes Lammertzhof. Seine Frau Christiane gründete vor drei Jahren die Firma „Kleinenbroicher Kleintransporte“ und erledigt mit ihrem „Bakfiets“ Transportfahrten aller Art, aber immer ohne Umweltbelastung.

Hinter dem „Radkutsche“-Projekt steht mit dem Inhaber des Lammertzhofes ein Öko-Visionär. Der Biohof beliefert 2000 Kunden pro Woche in Düsseldorf und Umgebung mit der „Ökokiste“, die den Wochenvorrat an Obst und Gemüse direkt nach Hause bringt. Derzeit erhalten rund 100 Kunden in der näheren Umgebung des Hofes ihre mehrere Kilogramm schwere Vitaminration per Rad. Ziel ist es, eine Logistik aufzubauen, die Auto und Rad in der gesamten Region intelligent kombiniert. Projektleiter Wiemers: „Mit einem Sprinter wollen wir Depots beliefern und dann mit Lastenrädern die letzte Meile machen, zum Beispiel in Düsseldorfs ständig überfüllter Innenstadt.“

Die Radkutsche packt‘s …

Bei den zu bewältigenden Mengen wäre selbst ein „normales“ Lastenrad mit einer großen Kiste drauf überfordert. Deshalb setzen sie beim Lammerzthof auf die „Radkutsche“, ein dreirädriges Pedelec mit starker Anfahrhilfe. Die Stellfl äche fasst problemlos eine Europalette und 250 Kilogramm Zuladung! Da packt Wiemers 30 Ökokisten drauf und liefert sie innerhalb von drei Stunden an die Kunden aus. Dann hat er etwa 30 Kilometer zurückgelegt und muss den Ersatzakku einlegen, um wieder nach Hause zukommen.

… und Oma wundert sich

Auch Christiane Wiemers fährt mit ihrem „Bakfiets“ freitags für den Lammertzhof. Zu ihren Kunden gehören aber auch ältere Damen, für die sie per Rad den Wocheneinkauf erledigt. Die Preisliste ist übersichtlich: Innerhalb von Kleinenbroich kostet’s pauschal 7,50 Euro, für das restliche Korschenbroich 9,50 Euro – oder der Kunde zahlt pro 30 Minuten fünf Euro. Christiane Wiemers hat sich ihren Traum vom Landkurier erfüllt: „Die alten Damen wundern sich immer, wie weit ich mit dem Rad zum Einkaufen fahre – und was ich alles mitbringe. Selbst mehrere Wasserkisten sind kein Problem.“

Man ahnt es schon: Die Wiemers leben auf dem Land ohne Auto – und beweisen täglich, dass das ganz gut geht. Christiane Wiemers: „Wenn die Kinder krank waren, hab ich sie vorne in die Kiste geladen und bin mit ihnen zum Arzt gefahren!“ Für besonderes Aufsehen sorgt immer wieder ein Einkauf beim schwedischen Möbelhaus in Kaarst. Während Kleinwagenfahrer vergeblich versuchen, sperrige Kantons in ihrer Blechdose zu verstauen, hat Thomas Wiemers bereits ein komplettes Kinderzimmer auf der „Radkutsche“ untergebracht und radelt ganz entspannt heim.

Kein Wunder also, die Kleinenbroicher haben sich an die Lastenräder im Ort gewöhnt, und manch einer bestürmt die Wiemers mit immer den gleichen Fragen: „Wat kostet dat? Is dat selbstgebaut? Wo krieg ich dat?“

Pizza auf Rädern

Mönchengladbacher Pizza-Connection (Foto: www.iDFotowerkstatt.de)

Mönchengladbacher Pizza-Connection
(Foto: www.iDFotowerkstatt.de)

Diese Fragen musste sich Markus Kramm, Inhaber der Pizzeria „Joeys“ im Zentrum von Mönchengladbach nicht stellen. Als Franchisenehmer der gleichnamigen Imbisskette konnte er die Fahrzeuge aus dem Firmenkatalog auswählen. Seit Oktober 2014 bedient er im Stadtkern seine hungrigen Kunden  mit sechs Pedelecs. Alle sind begeistert von den mit Strom und Muskelkraft betriebenen Flitzern. Die Mitarbeiter, weil sie statt Parkplatzproblemen immer Rückenwind haben und innerstädtisch einfach schneller unterwegs sind als mit dem Auto. Und auch die Kunden halten die Räder mit großer Kiste auf dem Gepäckträger für eine gute Sache. Kramm: „Wir tun was für die Umwelt und machen keinen Lärm. Das schätzen die Kunden.“

Damit die Pizza heiß, Getränke kalt und der Salat knackig-frisch beim Kunden ankommen, ist die Lieferkiste Kühlund Warmhaltebox in einem. Für Kramm sind die Pedelcs zum Markenzeichen geworden: „Wir sind der Pizzadienst mit den Rädern!“ Eine kostengünstige Logistiklösung, die Nerven, Zeit und Geld spart mit coolem Image obendrein. Rheinisches Unternehmerherz, was willst du mehr!?“

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Ausgabe 3 / 2015, Verkehr veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

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