Der AGFS-Kongress tanzt den RSW

Ein Kongress mit 600 Teilnehmern und ein Thema, das Fahrradfahrer und Radverkehrsexperten bewegt, wie lange nichts: Radschnellwege (RSW) sind in aller Munde. Dazu eine geführte Tour über elf erste RS1-Kilometer.

Peter London, zuständig für Radverkehr im NRW-Verkehrsministerium und Mitglied im hohen Arbeitsausschuss 2.5  Anlagen des Fußgänger- und Radverkehrs der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), brachte es im Februar beim AGFS-Kongress auf den Punkt: „Wir haben noch keine endgültigen Standards, arbeiten aber daran und sind auf einem guten Weg.“

Auf dem RS1 zwischen Mülheim und Essen. Foto: iDFotowerkstatt.de

Das muss gar nicht so falsch sein, denn viele Jahre früher haben die Niederlande ähnlich angefangen, wie Ineke Spapé, Radverkehrsexpertin an der Universität im niederländischen Breda, in ihrem Referat vor dem Kongress scherzhaft formulierte: „In Deutschland müssen zuerst Vorschriften verfasst werden und dann dauert es lange, bis gemacht werden kann. Wir haben einfach angefangen mit dem Bau erster snel- fietsroutes, haben ausprobiert was geht und gut ist – und irgendwann haben wir dann auch unsere Standards entwickelt.“ Frei nach diesem Motto hat man jetzt mit dem Bau des bundesweit ersten, gut hundert Kilometer langen Radschnellwegs RS1 begonnen. Das kürzlich fertig gestellte elf Kilometer lange Teilstück zwischen Mülheim-Hauptbahnhof und Uni Essen erfüllt die meisten Anforderungen des Arbeitspapiers „Einsatz und Gestaltung von Radschnellverbindungen“ der FGSV (siehe Folie aus dem Kongress-Vortrag von Peter London unten). Mit elf Kilometern Länge ist er mehr als doppelt so lang, wie die mindestens gewünschten fünf. Mit seiner Breite von vier Metern erfüllt der RS1 zwischen Mülheim und Essen ein wichtiges Kriterium, das auch in den Niederlanden die Messlatte für Zweirichtungs-Radschnellwege ist.

Der RS1 zeigt aber auch die Schwächen der noch nicht ausgereiften Vorschrift auf. Ein Teilstück ist nicht asphaltiert, nur mit wassergebundener Decke ausgestattet. Ein KO-Kriterium für viele Pendler, denn bei nassem Wetter „saut“ sich der Fahrradfahrer ein und bei längerer Trockenheit staubt es gehörig.

Eine Mittellinie ist nicht vorgeschrieben und wird es auch nicht geben. Die geforderte Trennung zum Fußverkehr ist baulich erfüllt, schwächelt aber, weil viele Fußgänger, vor allem Jogger, sich lieber auf der glatten Radspur bewegen, als auf ihrem „stolprigen“ Fußweg.

Es stört nur (noch) eine einzige Kreuzung am Krupp-Gelände, aber auch der Berthold- Beitz-Boulevard wird demnächst überbrückt. Nennenswerte Steigungen gibt es nicht und die rote wegweisende Beschilderung nach Landes-Standard (HBR NRW, siehe Bild unten) ist ok.

Beschilderung nach HBR NRW. Foto: iDFotowerkstatt.de

Die Probefahrt mit einigen Dutzend Teilnehmern des AGFS-Kongresses über den Mülheim-Essener RS1-Abschnitt ließ erahnen, wie die Zukunft auch im deutschen Radverkehr aussehen kann. Die Novelle des Straßen- und Wegegesetzes NRW, die Landes-Radschnellwege und Landesstraßen gleichstellt, kann ein Meilenstein auf dem Weg zu einem gleichberechtigten Radverkehr sein.

Sightseeing bei der geführten Exkursion über den RS1. Foto: iDFotowerkstatt.de

Im seinem Kongress-Schlusswort versprach NRW-Verkehrsminister Michael Groschek, dass der Radschnellweg Ruhr definitiv in voller Länge von 101 Kilometer realisiert wird. Das haben 600 Kongressteilnehmer mit großem Beifall quittiert, werden ihn aber auch immer wieder gern an seine Worte erinnern.

Standards und Kriterien für Radschnellwege

Eine Gegenüberstellung der deutschen und niederländischen Radschnellweg-Anforderungen finden Sie unter www.rsw.adfc-mg.de.

Am 17. April 2015 veranstaltet der ADFC Mönchengladbach eine Tour-Erkundung des neuen »Greenportbikeway« Venlo. Alle Details dazu finden Sie hier.

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