Radfahren in den Niederlanden ist schön aber auch anders
Oft schauen wir mit gehörigem Neid zu unseren Nachbarn im Westen. Feinste Radverkehrsanlagen und eine Fahrradkultur, die sich über Jahrzehnte entwickelt hat. Aber was ist sonst noch anders, und wie sehen „die Holländer“ eigentlich uns als Fahrradfahrer?
Als kürzlich in Mönchengladbach ein städtebaulicher Ideenwettbewerb für die bahnhofsnahe Industriebrache City-Ost ausgeschrieben wurde, beteiligen sich drei Planungsbüros mit unterschiedlichen Konzepten. Nur ein Entwurf berücksichtigt schon in dieser frühen Phase den Radverkehr und plant einen Radschnellweg entlang des vakanten Geländes. Diese Planung stammt aus Rotterdam.
Kein Zufall, denn „die Holländer“ haben das Fahrrad-Gen und denken früh an den Radverkehr und nicht erst ganz zuletzt, wenn der verfügbare Platz bereits für Kfz-Verkehr und -Parken verplant ist. „Das war nicht immer so“, sagt Paul Hamaekers vom Roermonder Planungsbüro Kragten: „Noch vor etwa 10 Jahren wurde bei uns zuerst die Autofahrbahn und dann Fußgänger- und Radweg geplant. Das hat sich völlig geändert, heute überlegt man zuerst, welchen Raum brauchen wir für fietsers en voetgangers und wieviel bleibt für die motorvoertuigen“.
Tansparenz für Bürger
Das ist keine Selbstverständlichkeit. Auch in den Niederlanden müssen sich die Planer mit Anwohnern, Politikern und Lobbyvertretern auseinandersetzen. Aber das geschieht durchaus sehr früh, oft schon vor dem Beginn der eigentlichen Planung. Die Beteiligung der Bürger heißt hier burgerparticipatie und wird sehr ernst genommen.
Wenn wir Niederrheiner als Gäste mit dem Fahrrad im nahen Limburg unterwegs sind, genießen wir gerne die großzügigen Radwege und die übersichtliche Ausschilderung zur Orientierung. Meist nutzen wir das knooppunt systeem und fahren nach Zahlen. Ein gutes Gedächtnis oder ein kleiner Zettel reicht. Auf den Infotafeln an jedem Knotenpunkt sieht jeder sofort wo er gerade steht, und ruck-zuck ist die Wunschroute erkannt. Nahezu lückenlos weisen kleine grüne Pfeile am Wegesrand mit den Routennummern zum Ziel. Gut zu wissen, diese Knotenpunkt-Routen sind touristisch angelegt, oft autofern und weisen nicht immer den schnellsten Weg. Kein Gasthof, keine Sehenswürdigkeit wird ausgelassen und wer den Pfeilen folgt, wundert sich über so manchen Schlenker. Direkter und schneller folgt man den LF-Schildern, die Langeafstands Fietsroutes eignen sich besonders gut für längere mehrtägige Radtouren.
Den nächsten Schritt in die Fahrrad-Zukunft haben die niederländischen Verkehrsplaner schon 1977 begonnen. Da wurde zwischen Tilburg und Den Haag als Probeprojekt der erste Radschnellweg der Niederlande fertig gestellt. Aus heutiger Sicht war das ein ziemliches Provisorium, aber immerhin geschah es Jahrzehnte bevor wir allein das Wort Radschnellweg lernten. Im Beitrag „Länger, schneller, breiter“ lesen Sie mehr zur aktuellen Planung von snelfietsroutes.
Nicht alles ist anders als bei uns. Es gibt auch keine Helmpflicht, es gibt auch die leidige Diskussion zur Helmpflicht. Auch Niederländer fahren mit dem Rad gerne und zu oft bei Rot über die Ampel. Wenn sie erwischt werden, kostet das 90 Euro, also 30 mehr als unsere 60 Euro.
Teures Radwegparken
Dafür kostet das unerlaubte Radwegparken mit dem Auto aber auch sechsmal so viel wie bei uns. Autofahrer sollten wissen, dass jedes Halten auf Radwegen, auch auf aufgemalten Fahrradstreifen (gestrichtelte Linie plus Bodenpiktogramm), verboten ist und mit 90 (!) Euro geahndet wird.
Erlaubt und absolut üblich ist das Nebeneinanderfahren mehrerer Radfahrer. Deutsche werden schnell erkannt, wenn sie auch hintereinander fahren, wenn es völlig unnötig ist. Auch zwei auf einem Rad sieht man oft, es ist nicht verboten. Benutzungspflicht? Ganz einfach: Wenn es einen Radweg gibt, dann hat der Fahrradfahrer den auch zu benutzen. Und bitte unbedingt nur in der vorgeschriebenen Fahrtrichtung. Was bei uns gang und gäbe ist und kaum geahndet wird, ist in den Niederlanden nicht gern gesehen und wer sich nicht daran hält, wird von entgegenkommenden Radfahrern lautstark darauf hingewiesen, dass er gefälligst die andere Straßenseite benutzen soll. Das gilt selbstverständlich nicht für die großzügigen beidseitigen Zwei-Richtungs-Radwege, die durch gestrichelte Mittellinien auf dem meist roten Radwegpflaster leicht zu erkennen sind.
Getrennte Wege
Außerorts müssen auch bromfietsers auf dem Radweg fahren und der niederländische Mofafahrer macht mit schrillem Hupen auf sich aufmerksam und erwartet (durchaus zu recht), dass ihm schnell Platz gemacht wird, damit er überholen kann. Wie bei uns sind die Regelungen für schnelle E-Bikes und S-Pedelecs in der Schwebe, nicht genaues weiß man noch nicht.
Wegen der hohen Frequenz an Fahrradfahrern haben inzwischen viele Kommunen in Parks und in den Uferbereichen von Flüssen und Seen die Wege für Rad- und Fußverkehr getrennt. Die blauen Fußwegschilder sollten beachtet werden, voetgangers lassen sich auf ihren exklusiven Wegen nur ungern von fietsers belästigen. Weit verbreitet an Ampelkreuzungen sind die blauen Schilder rechtsaf voor fietsers vrij, hier dürfen Fahrradfahrer getrost – aber nicht sorglos – trotz Rotlicht, rechts abbiegen. Beachtlich sind die vielen kleinen Fahrradampeln, neuerdings oft mit LED-Kranz, der dynamisch die Wartezeit bis grün anzeigt. Anforderungsdrücker sind nicht selten aber in der Regel komfortabel angebracht – und anders als bei uns, bewirken sie oft ein schnelles Grün statt lange Wartezeit. Einbahnstraßen dürfen von Fahrrädern fast immer in beide Richtungen befahren werden, trotzdem ist es nur erlaubt, wenn unter dem blauen Einbahnpfeil das weiße Zusatzschild uitgezonderd mit dem Fahrradpiktogramm hängt.
Wer als Tourist in den Niederlanden unterwegs ist, stellt überrascht fest, dass in fast allen Restaurants und Gaststätten kostenloses WLan, das hier WiFi heißt, zur Verfügung steht. Mit Smart Phones können diverse Apps zur Routenplanung und -navigation verwendet werden (siehe Info unten).
Das Gegenstück zu unserem ADFC ist der niederländische Fietsersbond, der eine kostenlose Routen-App anbietet. Das Fietserbond-Kartenmaterial wird laufend von vielen freiwilligen Helfern gepflegt und ist daher stets aktuell zur Tourenplanung geeignet. Mit der Zusatz-App Meldpunt kann jeder Mängel an Wegen, Schildern oder Ampeln melden, die Fietserbond-Zentrale leitet alles an die richtige Stelle weiter.
Der ANWB entspricht von den Diensten her unserem ADAC, bedient aber landesgerecht nicht nur Automobilisten, sondern auch Radfahrer, Wanderer, Reiter und Wassersportler. Der heutige Koninklijke Nederlandse Toeristenbond ANWB wurde ursprünglich als Algemene Nederlandse Wielrijdersbond (Radfahrerverbund) gegründet, was in der Abkürzung erhalten geblieben ist.
Der ANWB ist in den Niederlanden für die Wegweiserbeschilderung zuständig, inklusive der Radwegschilder. Auch der ANWB bietet eine Touren-App an. Und wer die guten alten Papier-Fahrradkarten bevorzugt, wird in einem seiner unzähligen Shops sicher fündig.
Unsere Gastgeber nutzen ihre mobiels auf dem Fahrrad fast nur am Ohr – aber das gern und oft. Die Strecke haben sie im Kopf oder auf einem kleinen Zettel am Lenker, mit den Knotenpunktzahlen. Ach ja, Telefonieren auf dem Rad ist in den Niederlanden nicht verboten.
Hollandräder Fehlanzeige
Es ist schön und praktisch, wenn man die Landessprache beherrscht, aber zumindest in Limburg kaum nötig, da hier viel und gut Deutsch gesprochen wird. Mit einer Ausnahme, unser Hollandrad kennt in Holland kein Mensch. Und wer sich dort beim Radiohören über das häufig benutzte Wort püntenell wundert, dem sei erklärt, dass dies schlicht und ergreifend die niederländische Internetendung .nl meint.
Touristeninformationen:
VVV (Fremdenverkehrsbüros) www.vvv.nl
Fietsersbond www.fietsersbond.nl
ANWB www.anwb.nl
Apps zur Tourenplanung: www.fietsersbond.nl/apps www.anwb.nl/mobiel/fietsen