Durch den Pott und Limburg
In der RaN 2016-1 berichteten wir über den neuen Radschnellwegabschnitt des RS1 von Mülheim nach Essen und kündigten eine Rad-Exkursion über den Greenport Bikeway im niederländischen Venlo an. ADFC-Mitglied Heino Theissen hat beide getestet. Seine Erfahrungsberichte.
Angeregt durch die Artikel über Radschnellwege in den Niederlanden und in Deutschland in der RaN 2016-1 habe ich mich im April zum Testen unseres neuen RS-1 auf den Weg gemacht. Hundert Kilometer „quer durch den Pott“ von Duisburg nach Hamm? Das gibt es vorerst leider nur in unseren Träumen. Aber ein Anfang ist gemacht, elf Kilometer von Mülheim nach Essen auf dem alten Bahndamm der ehemaligen Rheinischen Eisenbahn, fertig und befahrbar.
Also zuerst mit der Bahn von Mönchengladbach-Rheydt nach Duisburg. Der Bahnsteig-Aufzug in Duisburg war leider kaputt, weswegen ich mein schweres Hollandrad die Treppe „runterschleppen“ musste. Immer wenn ich in Duisburg umsteige, freue ich mich auf die Teestube im Fußgängertunnel und trinke dort einen Assam im Stehen. Weiter im Tunnel beim „Leckerbäcker“ gibt es dazu einen leckeren Mohnkuchen. Dass mein Anschluss nach Mülheim am gleichen Bahnsteig losging, habe ich leider erst danach bemerkt, also musste mein Fahrrad wieder die gleiche Treppe herauf.
In Mülheim hatte ich eine große Hinweistafel erwartet, „Hier baut das Land Nordrhein-Westfalen“ oder so ähnlich, aber nichts dergleichen.
Also raus aus dem Bahnhof, und zum Glück steht da sofort die Radstation. Einer der Mitarbeiter war ortskundig und half mir weiter: „Da drüben die Rampe hoch und dann links!“ Oben auf dem ehemaligen Bahndamm fand ich gleich zwei positive Überraschungen: links der schöne neue Radweg nach Essen, und rechts eine große Baustelle, die Verlängerung des RS1 in Richtung Duisburg ist also schon in Arbeit.
Also los auf dem Radweg, sehr schön breit und gut asphaltiert, mitten in der Stadt oben auf dem alten Bahndamm, autofrei, mit Hinweisen im Boden auf wenige Querstraßen, man kommt sich vor wie in einer anderen Welt.
Für mich als Eisenbahnfan noch die doppelte Freude: von den insgesamt 11 km führen ein paar Kilometer nur durch einen Zaun getrennt direkt an der viel befahrenen DB-Bahnstrecke entlang. Unterwegs sind sogar noch einige alte Signale und ein Bahnsteigrest von der stillgelegten Strecke geblieben. Die silbernen Überdachungen, die ich auf einigen Fotos gesehen und für Regenschutz gehalten hatte, sind Drahtkäfige zum Berührungsschutz gegen die darüber abgespannte Oberleitung der Bahn mit 15.000 Volt. Raufklettern ist natürlich strengstens verboten, hier gilt: „nicht am Draht packen!“.
Nach Verlassen des Mülheimer Stadtgebietes kommen einige Streckenstücke ohne Asphalt. Dieser Sandweg ist breit, in gutem Zustand und leicht zu fahren. Wie lange er in diesem Zustand bleibt, hängt von der Instandhaltung ab. Das werden wir abwarten müssen, die ersten kleinen Schlaglöcher und Pfützen sind schon zu erkennen. In Essen gibt es am Berthold-Beitz-Boulevard eine Lücke im alten Bahndamm. Dort muss man runter auf Straßenniveau und über die breite Kreuzung, danach wieder hoch. Ich hatte den Eindruck, dass es auf der ganzen Strecke in Richtung Osten ganz leicht nach oben geht, vielleicht 1%, aber keine wirkliche Behinderung. An seinem Ende verliert sich der Radschnellweg mitten im Essener Universitätsgelände – immer noch autofrei. Die Wegweiser sind leider unauffällig, und so habe ich dort keinen Hinweis zum Weiterfahren entdeckt. Dank Google-Maps sah ich, dass rechts die Innenstadt liegt, und da gab es irgendwann wieder Wegweiser zum Bahnhof. In Essen sind fast alle Fußgängerzonen für Radler freigegeben, man kommt also relativ komfortabel mitten durch die Innenstadt. Der Gouda-Verkäufer auf dem Markt rief mir hinterher: „Oh, eine Gazelle, die wird in Holland gemacht.“ Vom Essener Hauptbahnhof fährt jede Stunde ein Regionalexpress zurück nach Mönchengladbach.
Ein Wermutstropfen: Mitten im Berufsverkehr und bei gutem Wetter (freitags zwischen 16 und 17 Uhr, 10 °C, bewölkt, wenig Wind), volle Züge und starker Autoverkehr überall, traf ich auf dem ganzen Weg von Mülheim nach Essen ganze 15 Radfahrer – ansonsten nur Jogger und Leute mit ihren Hunden auf Verdauungsspaziergang. Mit dem Fahrrad zur Arbeit: Da ist sicher noch Potenzial nach oben!
Auch unsere niederländischen Nachbarn neigen zu modernem Werbeenglisch, wenn sie Aufmerksamkeit erlangen wollen: „The Healthy Highway“, frei übersetzt „Die gesunde
Schnellstraße“, es geht um den Greenport Bikeway, den neuen Fahrradschnellweg in der Nähe von Venlo. Wie in der RaN 2016-1 angekündigt, fand am 17. April die ADFC-Erkundungstour von Venlo nach Horst-Sevenum und zurück statt. Die 20 Teilnehmer kamen aus Mönchengladbach und der weiteren Umgebung, sogar aus Wuppertal.
Unsere Tour startete vor dem Venloer Bahnhof. Topp: Seit Januar 2016 ist Venlo dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) assoziiert, alle Bahntickets gelten grenzüberschreitend ohne internationalen Tarifwirrwarr. Nach der Ankunft am Treffpunkt radelten wir gemeinsam durch die Innenstadt zum Stadhuis, wo wir von Vertretern der Venloer Stadtverwaltung schon mit Kaffee und Kuchen erwartet wurden.
Es gab eine Einführung in die Entstehungsgeschichte und den ökonomischen Hintergrund des Projektes für uns noch Kartons mit Überraschungstüten mit u. a. Greenport- T-Shirts und Fahrradtrinkflaschen in den Vortragssaal getragen. Anschließend machten wir uns auf den Weg. Über die Maasbrücke ein Stück weit entlang der Eisenbahn nach Westen, bis wir das Stadtgebiet verlassen hatten. Danach wurde es ländlicher. Der Radweg ist schön asphaltiert und durchgängig rot eingefärbt, so dass ein oberflächlicher Verschleiß die Farbe nicht abträgt. Nach Aussage der Gastgeber ist solch eine Einfärbung nicht viel teurer als normaler Asphalt, wenn sie in so großen Mengen verbaut wird. Weiterhin ist der Radweg breit und mit Mittelstreifen und bis auf ganz wenige Kreuzungen mit normalen Straßen schnell und bequem befahrbar.
Unsere Gastgeber von der Stadt Venlo und vom niederländischen Fietserbond begleiteten uns auf dem ganzen Weg, ebenso wie ein Reporter der Rheinischen Post. Dessen Artikel [S. Eussem: „Radschnellweg Vorbild Venlo“] über unsere Tour ist in der Mönchengladbacher Ausgabe am 21. April im Rahmen der „Radserie 2016“ erschienen.
Unterwegs konnten wir die neuen fledermausfreundlich nur nach unten leuchtenden LED-Straßenlaternen mit umweltfreundlich produzierten Holzmasten bewundern, jedenfalls soweit das bei Tageslicht möglich war. Es gab auch ein größeres Gelände, wo Privatleute gegen eine Gebühr Patenschaften für neu zu pflanzende Obstbäume übernehmen und natürlich das Obst ernten können.
Nach ca. 11 km und einer kurzen Pause am Bahnhof Sevenum ging es dann auf einem anderen Weg zurück, diesmal mit der Fähre über die Maas, und dann Richtung Venlo. Auf der Terrasse im Hafengelände konnten wir den Tag mit einem Kopje Koffie ausklingen lassen.
Was ist jetzt das Besondere an diesem Radweg? Gute Radwege gibt es viele in den Niederlanden, und dass sie um Klassen besser sind als bei uns, ist hier am grenznahen linken Niederrhein allgemein bekannt. Es fällt jedem auf, der mit dem Fahrrad über die Grenze fährt. Was ich hier aber besonders bemerkenswert finde, ist folgendes:
- Es handelt sich beim Greenport Bikeway nicht um einen touristischen Radweg, sondern vielmehr um den normalen Weg zur Arbeit.
- Der Radweg wurde nicht angelegt, wo gerade wieder eine Eisenbahnlinie stillgelegt wurde und wo es niemanden stört, sondern bewusst da, wo er von den Pendlern gebraucht wurde.
- Der Radweg wurde sorgfältig geplant und finanziert. Dabei spielte eine Prognose der entstehenden neuen Arbeitsplätze und des Pendleraufkommens, sowie ein Kostenvergleich Straße/ Radweg eine wichtige Rolle.