Von Andreas Domanski
14. März 2020. Lockdown. Als wenn jemand den Stecker gezogen hätte. Quasi-Berufsverbot für die Kulturschaffende und die Event- und Tourismusbranche, Dauerstress für Beschäftigte in systemrelevanten Berufen und Eltern. Kontaktsperre für alte Menschen. Gespenstisch leere Straßen.
Wer konnte, blieb zuhause. Viele, die sonst den ÖPNV nutzten, stiegen aber plötzlich aufs Rad. Ebenso viele in der Freizeit, denn außer Laufen und Radfahren gab es kaum Freizeitmöglichkeiten an der frischen Luft. Noch nie sah man so viele Eltern mit ihren Kindern, auch den Kleinsten, auf dem Rad. Die Erwachsenen oft auf alten Schesen, die Kinder auf bunten blitzneuen Rädern. Gute Wege durch Parkanlagen kamen bald an ihre Kapazitätsgrenzen. Fahrradgeschäfte mussten schließen, obwohl sie gerade ihre Läger gefüllt hatten. Aber dann, oh Wunder, wurden sie als systemrelevant erkannt und sehr bald von neuen und ganz alten Kunden regelrecht überrannt.
Nun brauchten Kunden etwas Geduld, vor allem wenn sich die örtliche Werkstatt auch noch um den Frühausfall des schnell und günstig im Versandhandel erworbenen neuen Fahrrads kümmern sollte.
Keine Geduld hatten Radfahrende, wenn auf schmalen gemeinsamen Rad-/Gehwegen die vorgeschriebenen Abstände gar nicht eingehalten werden konnten, während die Fahrbahnen leer waren wie nie. Nichts lag näher, als eine Autofahrspur zum Radweg umzuwandeln. Barcelona, Rom, Paris, Berlin und Düsseldorf waren Vorreiter. Krefeld macht gerade einen sechswöchigen Versuch, während die sonst als eher fahrradfreundlich bekannte Stadt Kempen Sofortmaßnahmen ablehnte. Auch anderswo, wie in Mönchengladbach wurde geblockt, Politiker erklärten die Verwaltung für zuständig und die Verwaltung erklärte, sie hätte gerade keine Zeit.
Die gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie werden wir alle noch lange spüren und die Dimension der wirtschaftlichen Folgen ist noch gar nicht absehbar. Trotzdem muss die kommunale Radinfrastruktur dringend weiter ausgebaut werden, zumal sich das System Radverkehr als wesentlich krisenfester zeigt, als alle anderen Verkehrsarten.
Die Verkehrswende erfordert ebenso entschlossenes und mutiges Handeln wie die Bewältigung der Pandemie.
Ein Tipp für die Kommunalwahl: Fragen Sie Ihre Wahlkreiskandidaten doch mal, ob sie dem Radverkehr deutlich mehr Platz einräumen wollen, auch wenn dies Einschränkungen für den Autoverkehr bedeuten würde.
Andreas Domanski