Radweg Ende

Nach dem Leipziger Grundsatzurteil werden die Kommunen nicht mehr so leicht die Benutzung von Radwegen anordnen können. Was aus dem Urteil im Einzelnen folgt.

radweg_ende_v3_pict3013Am 18. November 2010 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine wichtige Entscheidung zur Radwegebenutzungs- pflicht getroffen. Die Richter gaben dem Regensburger ADFC-Vorsitzenden Klaus Wörle Recht, der gegen einen benutzungspflichtigen Radweg geklagt hatte. In ihrer Urteilsbegründung machten sie deutlich, dass Radfahrer nur unter strengen Bedingungen durch die bekannten blauen Radwegschilder gezwungen werden dürfen, den Radweg zu befahren. Das Urteil bestätigt damit die bereits seit 1997 gültige Rechtslage, die jedoch von den Behörden oft ignoriert wurde. Um ein Radwegschild aufzustellen, muss das Amt konkret nachweisen, dass auf der Straße aufgrund örtlicher Besonderheiten eine erheblich höhere Gefahr für Radfahrer besteht. Nur wenn zahlreiche strenge Kriterien erfüllt sind, darf der Radfahrer auf den Radweg verwiesen werden.
Bisher ergibt sich in der Praxis die kuriose Situation, dass Radfahrer durch die Benutzungspflicht auf schlecht gestalteten Radwegen oft höheren Gefahren insbesondere an Kreuzungen ausgesetzt sind, als wenn sie auf der Straße fahren würden. Zu diesem Ergebnis kamen in den letzten Jahren zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen. Gerade die Gestaltung älterer benutzungspflichtiger Radwege wird den modernen Anforderungen an die Verkehrssicherheit häufig nicht gerecht.

Abstimmung mit den Pedalen

Das Urteil bedeutet indes kein Ende des Radwegebaus oder der Benutzungspflicht in besonderen Fällen. Radfahrer werden zukünftig viel häufiger wählen können, ob sie auf einem vorhandenen Radweg oder auf der Straße fahren wollen. Oft werden Alltagsfahrer es bevorzugen, zügig auf der Fahrbahn voranzukommen, während es andere lieber auf dem Radweg zieht. Neben dem individuellen Sicherheitsempfinden wird bei der Wahl sicher auch der Zustand des Radwegs eine Rolle spielen. Zukünftig werden Politik und Verwaltung beim Bau einen erheblich höheren Komfortstandard realisieren müssen, wenn sie Radfahrern einen Radweg anbieten wollen. Nur attraktive und objektiv sichere Radwege werden Radler von der Straße locken. Ende 2010 ist die aktualisierte Fassung der „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ erschienen, die den Planern die notwendigen Informationen für die Gestaltung moderner Radwege liefern.

Vorhandene Schilder gelten weiter

In der Presse sind die Konsequenzen aus dem Urteil häufig falsch oder missverständlich dargestellt worden. Die Rechtslage verpflichtet Radfahrer auch weiterhin zur Benutzung eines Radwegs, wenn dort ein Radwegschild steht. Aus juristischer Sicht gilt ein Schild auch dann, wenn seine Aufstellung rechtswidrig ist. Deshalb ist es wichtig, dass die Städte und Gemeinden die fraglichen Schilder auch tatsächlich beseitigen.

Eigentlich müssen die zuständigen Behörden nun von sich aus alle Radwegschilder überprüfen, ob sie noch immer stehen bleiben dürfen. Im Laufe dieser Überprüfung müssen vermutlich zahlreiche Radwegschilder entfernt werden, weil sie die rechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen.

Der Städte- und Gemeindebund in NRW rechnet nach dem Urteil „mit vermehrten Initiativen oder sogar Klagen zur Aufhebung der Benutzungspflicht“ und empfiehlt selbst die Überprüfung der Benutzungspflicht. Sieht man von eigenen Klagen ab, die mit hohem Aufwand verbunden sind, gibt es allerdings nur geringe Einflussmöglichkeiten für die Bürger. Engagierte Radler können im Gespräch oder mit Briefen an lokale Politiker oder die Stadt- bzw. Gemeindeverwaltungen die Prüfung bzw. Aufhebung der Benutzungspflicht fordern und auf diese Weise den Anspruch der hauptsächlich Betroffenen verdeutlichen. Es ist nun vor allem das NRW-Verkehrsministerium gefordert, die örtlichen Behörden zu der Überprüfung zu veranlassen. Nachdem Bundesverkehrsminister Ramsauer die Straßenverkehrsordnung wegen eines formalen Fehlers zurückgezogenen hatte, herrscht ohnehin zur Zeit große Unsicherheit bei den Behörden. Es ist somit zu erwarten, dass die Überprüfungen  frühestens nach der Verabschiedung der neuen Straßenverkehrsverordnung im Sommer starten. Der ADFC setzt sich auf allen Ebenen dafür ein, dass diese Prüfungen bald beginnen, und wird den Verlauf kritisch beobachten.

Auszeichnung „best for bike“

Klaus Wörle wurde für sein jahrelanges Engagement auf dem Radverkehrskongress am 25. Februar 2011 in Essen der Sonderpreis „best for bike“ verliehen. Anlässlich der Preisverleihung hat der ADFC Landesverband den NRW-Verkehrsminister Harry K. Voigtsberger dazu aufgerufen, das Urteil umzusetzen. „Als oberste Verkehrsbehörde des Landes muss der Verkehrsminister dafür sorgen, dass geltendes Recht vor Ort nun auch konsequent umgesetzt wird,“ so ADFC Landesvorsitzender Thomas Semmelmann.

von Jan Bartels

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